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Die Terranauten TB 04 - Zeitfenster

Die Terranauten TB 04 - Zeitfenster

Titel: Die Terranauten TB 04 - Zeitfenster
Autoren: Robert Quint
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versetzen?
    Er hob den Kopf.
    Karen Schreiber stand abwartend vor dem Schreibtisch und trug jene undefinierbare Miene zur Schau, mit der sie gewöhnlich ihre Gedanken und Gefühle vor anderen Menschen zu verbergen trachtete.
    Sie hat zugehört und kombiniert, sagte sich Gral. Sie weiß, daß in Eurochem irgend etwas vorgeht. Karen Schreiber darf man nicht unterschätzen.
    Er seufzte.
    »Nun«, erklärte der Vizedirektor, »bis man Zamuel gefunden hat, leite ich kommissarisch die Geschäfte der Sicherheits-Abteilung. Fertigen Sie also den Pfalz-Bericht an und reichen Sie ihn mir so schnell wie möglich herein. Das ist alles. Ich danke Ihnen.«
    Die rothaarige kleine Frau neigte andeutungsweise den Kopf und verließ mit kurzen, trippelnden Schritten das Büro.
    Mäuseschritte, dachte Gral belustigt. Teufel, wo ist ihr Schwanz? Wo ist ihr feiner, langer Mäuseschnurrbart? Legt sie ihn ab, bevor sie ins Verwaltungshaus kommt? Versteckt sie ihn im Kleiderschrank zwischen ihrer Spitzenunterwäsche – zusammen mit den zusammengerafften Käsestücken?
    Gral schüttelte sich.
    Die Vorstellung war zu absurd.
    Absurd wie der Gedanke, daß Generaldirektor Daun etwas mit Zamuels Tod zu tun hatte.
    Seine Gedanken kehrten wieder zu Ricarda Fantrinelli zurück. Er sah sie vor sich: Schlank und groß, mit kurzgeschnittenem, mattschwarzem Haar, großen, dunklen Augen und den zarten Fältchen um den schmalen Mund. Ihr Gesicht war nicht hübsch, aber es verriet Persönlichkeit, Willenskraft und eine Art zynischen Gleichmut. Ein Gleichmut, wie er in diesen Tagen bitter nötig war.
    Das ist es, was mir fehlt, erkannte Gral. Ich nehme alles viel zu schwer. Ich denke zuviel über Dinge nach, die nicht zu ändern sind. Und schlimmer noch:
    Ich kümmere mich um Dinge, die mich nichts angehen. Kein Wunder, daß ich älter aussehe, als ich bin.
    Ricarda hingegen …
    Nun, sie mochte jetzt Anfang Vierzig sein, und ihre Haut war noch immer glatt, ihr Busen so straff und wohlgeformt wie vor zehn Jahren, als sie aus dem Nichts kommend ihre Karriere bei Eurochem begann.
    Gral befeuchtete seine Lippen.
    Der Eingebung folgend, drehte er sich zu dem Tischterminal herum und forderte Fantrinellis Personalakte an.
    Der Monitor wurde hell, und scharfgestochene, grüne Buchstaben flimmerten langsam von links nach rechts.
    FANTRINELLI
    RICARDA MAGDALENA
    * 23. 4. 2054 IN FLORENZ
    Gral unterbrach den Vorlauf. Also vier Jahre nach der BIBLIS-Katastrophe, dachte er. Vier Jahre nach dem Atomunfall, der zum endgültigen Ausstieg aus der Nuklearwirtschaft geführt hatte; dem Beginn der europaweiten PSI-Tests …
    Warum irritierte ihn dieses Faktum?
    Gral seufzte.
    Spielte ihm seine Intuition einen Streich? Möglich, doch schon zu oft hatten sich scheinbar harmlose Daten als Schlüssel zum Verständnis und zur Lösung vieler Probleme entpuppt.
    Nicht ohne Grund war er – wie Ricarda – binnen relativ kurzer Zeit fast an die Spitze der Hierarchie des Eurochem-Konzerns aufgestiegen.
    Nur selten trog ihn seine Intuition.
    Er betätigte wieder die Vorlauf-Taste.
    Das Intercom summte.
    Mit einem erneuten Seufzer ging Gral auf Empfang. Er war erstaunt, das Gesicht Jarreux’ auf dem Bildschirm auftauchen zu sehen; Anatol Jarreux, Viktor Dauns engster Berater.
    Jarreux’ graues Haar, stellte Gral fest, wirkte noch eine Spur heller, weißer als bei ihrem letzten Gespräch. Wie immer lächelte der alte, faltige Mann, doch Gral wußte, daß sein Lächeln falsch war wie der Humor Karen Schreibers. Eine Maske. Bedeutungslos.
    »Der Chef erwartet Sie, Gral«, sagte Jarreux. »In dreißig Minuten. Seien Sie pünktlich.«
    »Wieso …« begann Gral, doch der Monitor war schon wieder dunkel.
    Der Vizedirektor schluckte.
    Der Chef erwartet Sie, klang Jarreux’ knappe, barsche Mitteilung in ihm nach.
    Großer Gott, Daun will mich sprechen! Er ruft mich zu sich in die Stahlkammer, in dieses schreckliche Mausoleum, das dem Tod den Eintritt verwehrt … Natürlich, die Intercom-Gespräche werden nicht nur vom SD, sondern auch von Dauns Beraterbüro abgehört. Ein Computer analysiert jedes Wort und gibt Alarm, wenn ein Reizthema angeschnitten wird. Als ich Herbshire gegenüber Zamuels Namen erwähnte, muß Daun sofort informiert worden sein. Der Generaldirektor weiß Bescheid.
    Mit steifen Gliedern richtete sich Gral auf. Seine Muskeln waren verspannt, und das Blut rauschte in seinen Ohren.
    Nüchtern erkannte der Vizedirektor, daß er Angst verspürte.
    Jeder, den Daun zu sich
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