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Die Terranauten 014 - Im Reich der Geflügelten

Die Terranauten 014 - Im Reich der Geflügelten

Titel: Die Terranauten 014 - Im Reich der Geflügelten
Autoren: Robert Quint
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öffnete sich rumpelnd, langsam, ohne den üblichen Summton des kleinen Elektromotors, der normalerweise die Metallplatte zur Seite gleiten ließ.
    Handbetrieb, dachte Llewellyn 709 automatisch. Die Energieversorgung ist gestört. Natürlich.
    Das Licht, das vom Gang hereinströmte, war fahl und unwirklich. Offensichtlich waren die Hauptgeneratoren beschädigt und nur noch das Notaggregat arbeitete. Oder lag es an den Umwandlern? Nüchtern gestand sich der Riemenmann ein, daß sie noch viel zu wenig über die MIDAS wußten. Zwar hatte der Psyter die Konstruktionspläne in seine Hände bringen können, aber trotzdem war ihnen das Schiff fremd, unterschied sich in vielen Dingen von einem der hergebrachten Treiberraumschiffe.
    Das Rumpeln und leise Quietschen der Handkurbel verstummte. Ein Spalt, breit genug, um einen normal gewachsenen Menschen durchzulassen, hatte sich zwischen Schott und Wand geöffnet.
    Die Stille zerrte an Llewellyns Nerven, er wollte etwas sagen, wollte sich der Öffnung nähern, aber ein Impuls hielt ihn davon ab, zwang ihn, stehenzubleiben und zu schweigen. Sein Gaumen war trocken, seine Lippen rauh und rissig. Er dachte an Pija und an das, was ihre Haut hart wie Glas gemacht hatte.
    Dann erschien eine zarte, schmächtige Gestalt in dem schmalen Spalt.
    Llewellyns Erleichterung machte sich in einem tiefen Seufzer Luft.
    Leande!
    Das Mädchen aus der untersten Etage der Mondkerker lebte noch.
    Leande sah ihn an, ein weißes ovales Gesicht in der Dämmerung, mit Augen wie Kohle, deren Blick ihn gefangennahm.
    »Wir hielten dich für tot«, sagte Leande leise. Sie kam langsam näher, stand dann dicht vor ihm, zweieinhalb Köpfe kleiner als der hochgewachsene, massige Mann mit dem goldenen Riemengeflecht, das die tödliche PSI-Strahlung seines Körpers absorbierte. »Du lagst da wie die Gläsernen, still und steif und tot. Wegen der Riemen wagten wir nicht, dich zu untersuchen.«
    »Die Gläsernen?« flüsterte Llewellyn. Ihm war mit einemmal kalt.
    Leande sah zu ihm hinauf. »Einhundertdreiundvierzig Menschen. Sie sind wie Glas. Sie sind tot.«
    Der Riemenmann schloß die Augen. Nein! dachte er. Es darf nicht wahr sein! Aber er wußte, daß das Zentristenmädchen nicht log, daß diese unvorstellbar große Zahl Menschen wirklich Opfer des Kaiserkraft-Triebwerkes geworden waren.
    Er räusperte sich, zwang sich, die Frage zu stellen. »Leande, was ist mit dem Psyter? Was ist mit Scanner Cloud?«
    »Er lebt. Er ist unten im Schiffsbauch, bei den Maschinen. Er ist seit zwei Stunden wach. Wie die anderen.«
    »Die anderen?« Llewellyns Herz klopfte hart und rasch. »Welche anderen? Wer hat noch überlebt? Wer hat noch überlebt, Leande?«
    Das Zentristenmädchen nagte gedankenverloren an der Unterlippe, sah zur Seite, hinüber zu der starren, dunklen Gestalt am Boden, zu Pija.
    »Es sind die Gedanken, die zu Glas geworden sind«, murmelte das magere Mädchen. »Ich denke mir, sie quollen aus den Augen, als die Welt zerbrach. Und als sie sich wieder zusammenfügte, konnten sie nicht rasch genug zurück. Sie erstarrten zu Glas.«
    »Leande!« sagte der Riemenmann heftig. »Wer hat noch überlebt?«
    »Sie sind unten im Bauch. Ich sammle die Gläsernen auf. Sie sind leicht. Man kann sie mit einer Hand hochheben. Schau!«
    Unvermittelt eilte sie auf die leblose Gestalt zu, wich mit traumwandlerischer Sicherheit den Hindernissen aus, die auf dem Boden verstreut waren, und griff nach der Toten.
    Llewellyn hielt den Atem an, als Leande die Gläserne scheinbar mühelos auf ihre Schulter lud und ihn forschend ansah.
    »Ich denke mir«, erklärte das Zentristenmädchen mit ihrer hellen, ein wenig kindlichen Stimme, »ich denke mir, es sind Kokons. Die Schmetterlinge sind geschlüpft. Sie fliegen zwischen den Sternen von Weltraum II. Einhundertdreiundvierzig Schmetterlinge.«
    Dann wandte sie sich ab, schritt leichtfüßig auf das Schott zu und zwängte sich mit der Leiche durch die Öffnung. Eine Weile noch konnte der Riemenmann sie leise summen hören, aber dann erstarb auch dieser Laut und zurück blieb die Stille.
    Llewellyn 709 fröstelte. Er fragte sich, was das für ein unsichtbares Band war, das zwischen Scanner Cloud und dem Zentristenmädchen bestand. Wer war sie gewesen, bevor das Seelentaucher-Sekret ihre Gedanken verwirrt und ihr Bewußtsein in eine fremde egozentrische Realität versetzt hatte? Und was ging in ihrem Kopf vor, jetzt, inmitten all dieses Grauens, in diesem fliegenden Stahlsarg?
    Leande
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