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Die Templerin

Die Templerin

Titel: Die Templerin
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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nacht, in der Hitze des Gefechts, vielleicht, und auch danach, in der Dunkelheit. Aber jetzt, im hellen Tageslicht? Lächerlich!
    »Er ist nicht eingeweiht, habe ich recht?« fragte Horace. »Ihr habt es bisher versäumt - oder auch gar nicht gewollt. Ihr wißt, daß das gegen den Schwur verstößt, den wir gemeinsam geleistet haben. Doch es ist dumm, zu glauben, daß er Jahre unter euch zubringen könnte, ohne daß er das eine oder andere mitbekäme. Und es ist noch dümmer, zu glauben, daß Ihr ihn jetzt einfach so wegschicken könntet, nur damit ich es nicht merke.«
    Robin verstand kein Wort mehr, aber sie hatte auch noch niemals einen Menschen erblickt, dem seine Erleichterung so deutlich anzusehen war wie Abbé in diesem Moment.
    »Herr«, murmelte er, »ich versichere Euch, daß wir…«
    Horace unterbrach ihn erneut.
    »Das spielt jetzt keine Rolle«, sagte er. »Die Zeit drängt, Abbé. Wir sind nicht nur hergekommen, um auf dem Weg Station zu machen, und ich habe Bruder Robin nicht nur zurückbeordert, weil er uns allen das Leben gerettet hat und ich ihm meine Dankbarkeit ausdrücken wollte.« Er machte eine entsprechende Geste. »Setzt Euch, Robin. Von nun an gehört Ihr zu uns.«
    Robin gehorchte. Ihr Herz hämmerte, und sie sah hilflos zu Abbé hin, aber dessen Gesicht hatte schon wieder einen Ausdruck angenommen, als hätte er gerade ein Gespenst gesehen. Die Heinrichs und Xaviers übrigens auch.
    »Ihr habt den Eid auf das Kreuz geleistet, und Euer Leben und Euer Wohlergehen in die Hände des Ordens gelegt«, fuhr Horace fort, nachdem sie Platz genommen hatte. »Nun aber muß ich einen weiteren Eid von Euch verlangen.«
    »Herr!« sagte Abbé beinahe beschwörend. »Robin wußte nichts von…«
    »Er wird es erfahren«, unterbrach ihn Horace, diesmal scharf, und in einem Ton, der deutlich machte, daß er einen weiteren Einwand nicht mehr ungestraft hinnehmen würde. »Ihr werdet ihn in alles einweihen, sobald wir aufgebrochen sind. Die Zeit bis zu unserer Ankunft in Akko ist mehr als ausreichend.«
    »Aufgebrochen?« fragte Robin. Was hatte er gesagt? Akko? »Ich muß dir deinen heiligsten Eid abverlangen, daß du nichts von dem, was du in diesem Kreise hören oder später erfahren und erleben wirst, jemals über deine Lippen kommt.«
    »Das gelobe ich«, sagte Robin feierlich. Sowohl die Reaktion auf Horaces als auch auf Abbés Gesicht machte ihr deutlich, daß dies nicht unbedingt die Worte waren, die sie erwartet hatten, aber zumindest Horace gab sich für den Moment damit zufrieden.
    »Herr, bitte«, murmelte Abbé. »Ich weiß, es steht mir nicht zu, Eure Entschlüsse zu kritisieren, aber… ich halte es nicht für gut. Es steht zuviel auf dem Spiel, um…«
    »Ihr sagt es, Abbé«, unterbrach ihn Horace. »Und sogar mehr, als Ihr in diesem Moment wißt. Nun, da auch Bruder Robin einer der unseren ist, kann ich offen reden. Ich bin hierhergekommen, um Euch davon in Kenntnis zu setzen, daß unser sofortiger Aufbruch notwendig geworden ist. Schlechte Nachrichten haben mich erreicht.«
    »Schlechte Nachrichten?« Abbés Blick wanderte unsicher zwischen Horace und Robin hin und her. Er sah nicht so aus, als könne er sich im Moment eine noch schlechtere Nachricht vorstellen.
    »König Amalrich ist gestorben«, sagte Horace. »Jerusalem ist nun ohne Herrscher, und die Kräfte, die seinen Sohn auf den Thron heben wollen, sind leider stärker geworden, als wir fürchteten. Wir müssen zurück. Unser Bündnis ist in Gefahr.«
    »Amalrichs Sohn?« keuchte Xavier. »Balduin, dieses aussätzige, debile Kind, soll König von Jerusalem werden? Das ist lächerlich!«
    »Es spielt keine Rolle«, antwortete Horace. »Die Krätze frißt schon jetzt an ihm. Er wird nicht lange leben. Die Frage ist, wieviel Schaden die, die hinter ihm stehen, während der Jahre seiner Regentschaft anrichten.«
    »Und wen sie nach ihm auf den Thron heben«, sagte Abbé düster. »Wir können uns alle vorstellen, wer das sein wird«, bestätigte Horace. »Deshalb müssen wir schnell handeln. Es gilt zu verhindern, daß Balduin zum König von Jerusalem gekrönt wird. Ihr alle wißt, was das für uns bedeutet.«
    »Den Untergang«, murmelte Heinrich.
    »Vielleicht nicht ganz«, wehrte Horace ab. »Aber Tatsache ist, daß die, die Amalrichs Sohn auf dem Thron sehen möchten, uns nicht wohlgesonnen sind. Unser persönliches Schicksal liegt in Gottes Hand, und ich bin sicher, daß er über uns wachen wird. Doch unsere Sache ist in
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