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Die Templerin

Die Templerin

Titel: Die Templerin
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Norden wandte. Gunthar war in Begleitung eines Dutzends Männer gekommen, Krieger in Rüstungen und Waffen, und von irgendeiner Erleichterung, seinen letzten ihm gebliebenen Sohn wiederzusehen, war ihm nichts anzumerken. Im Gegenteil: Sein Gesicht war wie Stein, und er beschränkte sich bei dem, was er sagte, auf knappe Anweisungen und saß unnatürlich steif und kerzengerade aufgerichtet im Sattel. Obwohl Gernot direkt neben ihm ritt, würdigte er ihn keines Blickes. Es mußte wohl so sein, wie Abbé gesagt hatte: Gunthar ahnte die Wahrheit, aber er wollte sie nicht sehen. Robin empfand ein tiefes, sehr ehrliches Mitleid mit dem alternden Ritter. Was mußte es für ein Gefühl sein, von einem Moment auf den anderen alles zu verlieren?
    Sie beantwortete ihre Frage gleich selbst: Sie kannte es. Sie kannte es nur zu gut.
    Sie waren ungefähr eine halbe Meile von der Komturei entfernt, und Salim drehte sich zum zweiten Mal im Sattel herum und sah zu dem Rechteck aus weißgekalkten Wänden zurück. Es sah aus, als suche er etwas. »Fällt dir der Abschied so schwer?« fragte Robin bitter. »Aber vielleicht gewöhnst du dich ja schon einmal daran.«
    Salim blinzelte. In ihrer Stimme war ein feindseliger Klang.
    »Ich meine: Wo ihr doch sowieso gehen werdet - in wenigen Wochen, und für mich ja bereits gesorgt ist.« Sie deutete mit einer Kopfbewegung auf Gunthar und Gernot, die an der Spitze der kleinen Kolonne ritten. »Ich wundere mich beinahe, daß ich nicht auf Burg Elmstatt verbracht werde. Sie brauchen doch bestimmt noch eine gute Küchenmagd.« Salim setzte zu einer Antwort an, sagte dann aber doch nichts, sondern ließ Shalima etwas langsamer traben, so daß sie langsam ans Ende der Truppe zurückfielen. Erst, als sie außer Gunthars Hörweite waren, sagte er: »Du hast gewußt, daß wir nicht hierbleiben.«
    »Und du hast gesagt, daß ich mitkommen werde!« sagte sie scharf. Aber das stimmte so nicht. Salim hatte sie gefragt, ob sie ihn begleiten wollte, aber sie war ihm die Antwort auf diese Frage bis jetzt schuldig geblieben. Sie las in seinen Augen, daß er im Moment wohl genau dies dachte.
    Doch er sprach es nicht aus, sondern sah noch einmal zur Komturei zurück und lächelte dann traurig. »Ich habe es versucht.«
    Robin lachte schrill. »Indem du mich als Tempelritter verkleidet hast? Und du hast wirklich geglaubt, mit dieser…« Sie suchte nach Worten. »… völlig kindischen Idee durchzukommen?«
    »Wenn sie so kindisch ist«, sagte Salim ruhig, »warum hast du dann seit Wochen mit mir geübt?«
    Robin starrte ihn an, und sie fühlte, wie sich ihre Augen mit heißen Tränen zu füllen begannen; Tränen des Zorns und der Hilflosigkeit, die sie nicht zurückhalten konnte und auch nicht wollte. Auch Salim sagte nichts, sondern sah sie nur an und wartete auf eine Antwort auf seine Frage. Aber sie konnte sie nicht beantworten. Die Wahrheit war: Sie hatte niemals darüber nachgedacht. Sie hatte niemals darüber nachdenken wollen.
    »Wie hätte ich dich sonst mitnehmen sollen?« fragte Salim, nachdem eine geraume Weile vergangen war. »Als meine Mätresse?« Sie wußte nicht genau, was dieses Wort bedeutete, aber sie ahnte es allein durch die verächtliche Art, auf die er es aussprach.
    »Nein!« antwortete sie heftig. »Aber als… als Ritter? Was hätte ich tun sollen? An deiner Seite in die Schlacht reiten?«
    »Unsinn!« widersprach Salim. »Es wäre nur für die Zeit gewesen, bis wir in Akko angelegt hätten. Danach…« Er ballte zornig die Faust. »Ach, was rede ich. Du willst mir doch gar nicht zuhören, habe ich recht? Du suchst nur jemanden, an dem du deinen Ärger auslassen kannst. Aber dafür bin ich mir zu schade.«
    Er knallte mit den Zügeln, und Shalima machte einen erschrockenen Satz. Mit wenigen Schritten war er wieder an der Spitze der Kolonne und begann mit Gunthar zu reden - genauer gesagt, er redete und Gunthar beschränkte sich darauf, zuzuhören und dann und wann mit einem Nikken oder einer Handbewegung und einem Achselzucken zu reagieren. Robin wäre am liebsten zu ihm geritten und hätte ihn um Verzeihung gebeten. Sie war ungerecht zu ihm gewesen. Es war genau so, wie er gesagt hatte: Ihr war weh getan worden, und sie hatte einfach nur jemanden gesucht, an dem sie ihren hilflosen Zorn und ihren Schmerz abreagieren konnte. Es hatte nicht viel geholfen. Im Gegenteil. Sie hatte ausgerechnet dem Menschen weh getan, der ihr auf der ganzen Welt am meisten bedeutete. Vielleicht dem
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