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Die Templerin

Die Templerin

Titel: Die Templerin
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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daß dieser namenlose englische Soldat also ihrer Mutter etwas gegeben hatte, worauf sie zu lange hatte verzichten müssen.
    Robin dachte an nichts von alledem, als sie sich an jenem Abend der leerstehenden Kapelle am Ortsrand näherte. Es war der vierzehnte Juli, aber obwohl es der Tag war, der Robins Leben in so vollkommen andere Bahnen lenkte, daß sie kurz darauf ein völlig neuer Mensch zu werden schien, wußte sie nicht einmal das Datum. Niemand im Dorf zählte das Verstreichen der Zeit anhand von Kalendertagen, und wozu auch? Das Leben im Dorf wurde von den Jahreszeiten bestimmt - Frühling, Sommer, Herbst, Winter - und vom sonntäglichen Kirchgang, nicht von Jahres zahlen .
    Außerdem war Robin aufgeregt. Sehr aufgeregt. Sie war unterwegs, um ihren neuen Freund zu treffen, den sie vor vier Wochen kennengelernt hatte; Jan, den Knappen, der im Dienst eines richtigen Ritters stand und stets spannende und aufregende Geschichten zu erzählen hatte. Es war purer Zufall gewesen, daß sie sich getroffen hatten - oder, um genau zu sein, eine Kombination aus Zufall und Robins übergroßer Neugier, die ihr schon mehr als einmal gehörigen Ärger eingebracht hatte. Die alte Kapelle lag ein gutes Stück außerhalb des Dorfes, gerade weit genug, um den Weg lästig werden zu lassen, und niemand wußte mehr genau, warum man sie ausgerechnet dort errichtet hatte, und als sei damit alles gesagt, brachte man ihr auch nicht unbedingt den Respekt entgegen, den sie als ein Gotteshaus zweifellos verdiente. Ganz im Gegenteil: Düstere Geschichten rankten sich um die aufgelassene Kapelle. Es hieß, daß dort heidnische Riten abgehalten worden seien, und einige der Alten behaupteten sogar, daß der Teufel selbst dort nachts sein Unwesen treibe. Darüber hinaus war es ein offenes Geheimnis, daß die Kapelle den Liebespaaren aus dem Ort als verschwiegener Treffpunkt diente. Robin hatte sich oft gefragt, was sie dort eigentlich taten, und sie hatte diese Frage sogar einmal ihrer Mutter gestellt, aber eine so rüde Abfuhr erhalten, daß sie es fortan nicht mehr gewagt hatte, das Thema anzusprechen.
    An jenem Abend vor vier Wochen befand sie sich auf dem Rückweg ins Dorf. Sie hatte Kräuter gesammelt, aus denen ihre Mutter allerlei Salben und Tinkturen herzustellen wußte, aber auch wohlschmeckende Tees, und sie hatte nicht auf die Zeit geachtet und mußte sich nun sputen, um noch vor Einbruch der Nacht nach Hause zu kommen. Ihr Korb war schwer, denn sie hatte außer den Kräutern auch noch eine große Anzahl Pilze entdeckt, die sie kurzerhand eingesammelt hatte. Obwohl sie spät dran war und ahnte, daß ihre Mutter sie schelten würde, war sie guter Dinge, denn sie wußte auch, wie sehr sich ihre Mutter über die Pilze freuen würde. Sie stellten eine willkommene Abwechslung in ihrem sonst doch recht eintönigen Speiseplan dar, der aus Haferbrei, einem gelegentlichen Stück Fladenbrot und Rüben in jeder nur erdenklichen Form der Zubereitung bestand; drei- oder viermal im Jahr auch aus einem Stück Fleisch, wenn es ihnen gelang, einen Hasen zu erlegen, oder ein Nachbar ein Schwein schlachtete und ihnen großzügiger Weise etwas abgab.
    Um dem Unmut ihrer Mutter nicht mehr Nahrung als unbedingt nötig zu geben, entschloß sie sich, die Abkürzung durch den Wald zu nehmen, der auf halbem Wege zwischen dem Dorf und der alten Kapelle lag. Normalerweise mied Robin das kleine Wäldchen. Das dichte Unterholz, die finstere Kühle unter den ineinander verwobenen Baumkronen und seine düsteren Schatten machten ihr angst. Sie glaubte zwar nicht wirklich an den Teufel und die Existenz von Dämonen, aber andererseits… man konnte nie wissen. Außerdem standen die dornenbewehrten Himbeer- und Brombeersträucher so eng, daß sie Gefahr lief, sich ihr sowieso schon mehrfach geflicktes Gewand zu zerreißen - sollte das passieren, das wußte sie aus bitterer Erfahrung nur zu gut, würde ihre Mutter sie so lange mit sorgenvollen Vorwürfen überhäufen, bis Robin vor Scham am liebsten im Boden versinken würde.
    Sie hatte den Waldrand fast erreicht, als sie ein verräterisches Knacken hörte; das typische Geräusch eines brechenden Zweiges. Seiner Lautstärke nach zu urteilen, mußte es sich um einen ziemlich kräftigen Zweig gehandelt haben, was wiederum bedeutete, daß es sich nicht um ein Eichhörnchen oder einen Hasen gehandelt haben konnte, und Robin erstarrte für die Dauer eines Herzschlags. Gleichzeitig sah sie sich erschrocken und sehr hastig
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