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Die Templerin

Die Templerin

Titel: Die Templerin
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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beiden.
    Es fiel ihr nicht besonders schwer, unerkannt zu bleiben. Bis zur Kapelle hin war das Gelände mit hüfthohem Heidekraut, Gras und wild wuchernden Büschen bewachsen, und Robin kannte praktisch jeden Strauch wie einen persönlichen Freund. Geschickt huschte sie von Deckung zu Dekkung, wobei sie sorgsam darauf achtete, den Abstand zwischen sich und Helle und dem Fremden nicht kleiner werden zu lassen. Zwei- oder dreimal blieb der dunkelhaarige Junge stehen und blickte aus mißtrauisch zusammengekniffenen Augen in ihre Richtung, ging aber jedes Mal weiter.
    Robin war sich ziemlich sicher, kein verräterisches Geräusch verursacht zu haben, und auch die Natur kam ihr nun zu Hilfe: Mit Einbruch der Dämmerung war ein leichter Wind aufgekommen, der für genügend Bewegung sorgte, und sie mit seinem leisen Raunen und Säuseln tarnte. Trotzdem blieb sie auf dem letzten Stück lieber etwas zurück. Tief in sich glaubte sie zwar selbst nicht daran, aber falls der Fremde wirklich Übles im Sinn hatte, so war er ganz bestimmt nicht begeistert, verfolgt zu werden.
    Schließlich kauerte sie sich hinter einen Busch und beobachtete aus seinem Schutz, was weiter geschehen würde. Der Fremde steuerte mit raschen Schritten auf die Kapelle zu und verschwand darin. Helle folgte ihm dichtauf, allerdings nicht, ohne einen weiteren langen Blick zum Dorf zurückgeworfen zu haben. Danach geschah eine ganze Weile lang nichts. Weder Helle noch der Junge kamen wieder aus der Kapelle heraus, aber nachdem es jetzt zu dunkeln begann, nahm Robin einen schwachen rötlichen Lichtschein wahr, der durch die beiden Fenster drang. Dort drinnen brannte eine Kerze oder eine kleine Fackel, deren Schein allerdings sorgsam abgeschirmt wurde. Aus ihrem Versteck heraus, das vielleicht zwanzig Schritte entfernt war, war dieses Licht schon fast nicht mehr wahrnehmbar, etwas weiter weg war es sicherlich nicht mehr zu sehen.
    Lange Zeit rührte sich nichts, so lange, daß Robin schließlich zu dem Schluß kam, daß sie nichts Interessantes mehr zu sehen bekommen würde und sie hier hocken konnte, bis sie schwarz wurde. Was also sollte sie tun? Zurückgehen und das Donnerwetter, das mit Sicherheit über sie hereinbrechen würde, für nichts und wieder nichts in Kauf nehmen? Das erschien ihr nicht sinnvoll. Was sie erwartete, konnte schwerlich viel schlimmer werden, wenn sie sich um einige weitere Minuten verspätete. Also löste sie sich behutsam aus ihrer Deckung und näherte sich geduckt der Kapelle.
    Unter einem der beiden schmalen Fenster auf dieser Seite kauerte sie sich schwer atmend zusammen und lauschte. Im ersten Augenblick hörte sie nichts außer dem Schlagen ihres eigenen Herzens, das ihr so laut vorkam, daß man es eigentlich bis zum Meer hinunter hören mußte. Dann aber identifizierte sie zwei Stimmen, die miteinander flüsterten. Eine davon gehörte Helle, also mußte die andere folglich die des Jungen sein.
    Und nun, wo sie schon einmal so weit gekommen war, würde sie natürlich auch nachsehen, was die beiden da drinnen eigentlich trieben. Sie schob sich vorsichtig an der rauhen Wand entlang in die Höhe und hatte das Fenster fast erreicht, als eine harte Hand sie im Genick packte und so abrupt zurückriß, daß sie einen keuchenden Schrei ausstieß - allerdings nur für einen kurzen Moment, denn schon im nächsten Augenblick legte sich ihr eine zweite, ebenso starke Hand über Mund und Nase und erstickte nicht nur ihren Schrei, sondern nahm ihr auch den Atem. Robin begann verzweifelt mit den Beinen zu strampeln und um sich zu schlagen, wurde aber trotzdem in die Höhe gerissen und grob herumgezerrt.
    »Jan, was ist los?« drang eine dunkle Stimme aus dem Haus. »Nichts, Herr«, antwortete die Gestalt, die sie gepackt hielt. Nach einem kurzen Lachen fügte sie hinzu: »Nur ein streunender Köter, wie ich vermutet habe.«
    Robin wurde von der Kapelle fortgezerrt. Nach ein paar Sekunden hörte sie auf, sich zu wehren, und dann gab sie auch den Versuch auf, einen hohen spitzen Hilfeschrei auszustoßen. Sie bekam keine Luft mehr. Wenn der Bursche sie nicht bald losließ, würde sie ersticken. Der Fremde tötete sie nicht, aber er war kurz davor, ehe er Robin endlich losließ und grob zu Boden warf. Sie fiel, rollte, verzweifelt nach Luft ringend, auf den Rücken und sah eine riesige, verzerrte Gestalt über sich aufragen. Etwas Helles, Silberfarbenes schimmerte in der Hand des Angreifers, und kaltes Metall berührte Robins Kehle.
    »Nein!«
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