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Die Tarotspielerin: Erster Band der Tarot-Trilogie (German Edition)

Die Tarotspielerin: Erster Band der Tarot-Trilogie (German Edition)

Titel: Die Tarotspielerin: Erster Band der Tarot-Trilogie (German Edition)
Autoren: Marisa Brand
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bedeutend wie dein Ritter, mein Kätzchen.«
    Sidonia wickelte eine Strähne ihres Haares um den Zeigefinger. Ihr Vater hatte wieder Recht. Sie war begierig auf diese Ehe, um vor den Kölner Bürgergänschen zu glänzen, die über sie und den Lumpenclaas die Nase rümpften. Umso mehr ärgerte sie das Zaudern ihres Bräutigams. »Vielleicht wäre es besser, mich in einen Mann aus Fleisch und Blut zu verlieben statt in einen abwesenden Ritter. Er macht uns noch zum Spottgespräch bei Kölns Patriziern.«
    Van Berck drehte sich entsetzt um. Es hing viel von Sidonias Heirat mit von Löwenstein ab, ein Vermögen hatte er darein investiert. »Die Liebe ist eine verzichtbare Beigabe auf dem Weg zum ehelichen Glück. Gute Zähne und eine gefüllte Geldtruhe sind weit wichtiger. Ich weiß, wovon ich spreche. Deine Mutter war um fünf zehn Jahre älter als ich und hatte neben ihren Reizen bereits ihr ganzes Gebiss verloren. Unserem Glück stand ihr Mangel an Anziehungskraft nicht im Weg.«
    »Ich hoffe doch, dass Adrian von Löwenstein seine Zähne noch im Mund trägt«, konterte Sidonia.
    »Kätzchen, Kätzchen. Alle Welt sagt, er sei ein stattlicher blonder Recke, so wie es sein Vater war. Und nun zieh dich an. Ich möchte nicht, dass du wie eine Dirne durchs Haus läufst. Lamberts Untugenden genügen mir.«
    Sidonia erhob sich, schlenderte zur Tür und drehte sich noch einmal um.
    »Wie schaut denn eine Dirne aus? Ich dachte, man erkennt die Hübschierinnen nur an ihren gelben Ärmeln oder Bändern? Weißt du mehr darüber, Vater, und woher?«
    Das Gesicht des Kaufmanns verfärbte sich. Das Kind gehörte verheiratet. Gebe Gott, dass der Reliquienhändler noch heute Bescheid vom Ritter brachte.
    Ungerührt setzte Sidonia hinzu: »Ich weiß, dass Dirnen ihre Gunst gegen Geld verschenken. Bei meiner Heirat ist es genau umgekehrt! Der Ritter sollte sich zeigen, damit wir prüfen können, ob er sein Geld wert und nach meinem Geschmack ist.«
    Van Berck griff nach dem Kontobuch und wollte es in ihre Richtung schleudern. Ein Klopfen an der Tür ließ ihn innehalten.

5
    Sidonia und ihr Vater wandten die Köpfe, aber die Tür blieb zu. Mit einem Laut des Unmuts drückte Sidonia den Schnappriegel herab. Es gab nur eine Person in diesem Hause, die erwartete, dass man auf ihr Klopfen hin die Tür öffnete, vielmehr, sie auftat wie für eine Königin: Doña Rosalia de Fraga, der ihr Vater eine eigene Magd und tägliche Besuche eines Judenarztes zugebilligt hatte. Eingebildete Krankheiten waren neben übertriebener Frömmigkeit ihr Hauptvergnügen, fand Sidonia.
    In tiefes Schwarz gekleidet, stand die gräfliche Witwe im Türbogen und erinnerte an einen Totenvogel. Ihr Gesicht unter dem Haubengebände war schmal, die Augen hell und hübsch, aber die Nase schnabelartig. Ein Zeichen vieler Generationen von Verwandtenehen, wie Sidonia voll Abscheu dachte. Claas van Berck deutete eine Verneigung an und näherte sich mit Trippelschritten, die er für vornehm und Sidonia für peinlich hielt. »Doña Rosalia, tretet ein.«
    Die fünfzigjährige Frau lehnte einen Stuhl ab und schaute an Claas van Berck vorbei in die Ferne.
    »Es ist Nachricht gekommen«, sagte sie. Sie sprach langsam und war bemüht, jeden Akzent zu unterdrücken. Rosalia de Fraga war stolz darauf, viele Sprachen fließend zu sprechen.
    »Nachricht! Von wem?« Sidonia hüpfte von einem Bein auf das andere. Der Vater verneigte sich erneut.
    Doña Rosalia ließ sich Zeit mit der Antwort. »Ein Metzgersbote hat eben einen Brief gebracht.« Sie griff nach der Riechkugel, die vor ihrer flach geschnürten Brust baumelte, und sog die Aromen von Ambra und Zibet ein, als würde sie durch den Geruch von rohem Fleisch belästigt.
    Lächerlich, dachte Sidonia, es war in allen Städten Europas üblich, dass die Metzger Nachrichten von den umherziehenden Viehtreibern entgegennahmen und sie durch ihre Lehrbuben vor Ort verteilen ließen. Reitende Boten konnten sich nur Kaiser und Landesfürsten leisten. Sidonia griff nach Rosalias Arm: »Ist es ein Brief vom Reliquienhändler?«
    Doña Rosalia starrte auf Sidonias schlanke Finger hinab. Claas van Berck zog seine Tochter fort und verbannte sie hinter seinen Rücken.
    »Nein«, sagte Doña Rosalia und musterte die Gesichter der van Bercks, als handele es sich um widerwärtige Exemplare aus der Familie der Aasfliegen. Sidonia hielt die Luft an. Wenn der Sohn auch nur entfernt die Manieren seiner Mutter hatte, dann, dann ...
    »Es ist ein Brief
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