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Die Tarotspielerin: Erster Band der Tarot-Trilogie (German Edition)

Die Tarotspielerin: Erster Band der Tarot-Trilogie (German Edition)

Titel: Die Tarotspielerin: Erster Band der Tarot-Trilogie (German Edition)
Autoren: Marisa Brand
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»Nichts.«
    »Lambert! Was hast du wieder vor? Die Kapelle ist Vaters ganzer Stolz.«
    »Und voll von papistischem Mummenschanz«, ereiferte sich der Bruder. »Diese Reliquiensammlung gehört zerschlagen, all diese falschen Knochen. Luther sagt, bald käme es so weit, dass einer behauptet, er besitze ein Ei und zwei Federn des Heiligen Geistes oder dreißig Fürze von der Pauke Miriams, der Schwester Moses.«
    »Lass bloß die Finger von Vaters Sammlung, und rede nicht von Luther. Wir erwarten morgen den Ritter von Löwenstein, du dummer Maulheld.«
    »Und du bist eine Gassenkatze. Ich hab dich gestern Nacht gesehen. Weiß Vater von den Ausflügen seines Kätzchens?«
    »Wieso bist du Lümmel nachts unterwegs?«
    »Das geht dich nichts an. Also: dein Schweigen gegen meines.« Er spuckte auf seine rechte Hand und hielt sie der Schwester treuherzig hin.
    »Igitt, du Kindskopf.« Lachend schlug Sidonia seine Hand weg. »Lass mich durch.«
    »Willst du wieder auf die Gasse?«
    »Nur auf den Markt, ich habe Besorgungen für unser Fest zu erledigen.«
    »Gottlose Prasserei«, setzte Lambert zu einer Moralpredigt an, »die Todsünde der Völlerei ist ...«
    »Spar dir den Atem, um beim Fest deine heißen Honigwachteln kalt zu pusten. Letzthin hast du zwölf Stück verputzt!«
    Sidonia stürmte an ihm vorbei und die Treppe zu ihrer Schlafkammer hinauf. Hastig zog sie sich ein Stadtkleid an, steckte ihr Haar hoch und schmückte es mit einem Barett. Aus dem Spiegel lächelte ihr das Gesicht einer Bürgerstochter entgegen.
    »Herzlichen Glückwunsch, Gräfin Sidonia von Löwenstein, und willkommen in Eurem neuen Leben«, raunte sie dem Spiegelbild zu und schenkte ihm eine Kusshand.

7
    Während im Hause van Berck von einer Liebesheirat geträumt und um Mitgiften geschachert wurde, schärfte der Stadthenker in seiner Hütte an der Schmierstraße Beile und Schwerter. Nach dem Pfingstfest würde er sie gewiss brauchen.
    Im vergangenen Jahr hatten sturzbetrunkene Weberknechte nach den Schützenturnieren nachts einen Chorherrn abgekehlt und entmannt. Mit dem bedauernden Kopfschütteln des Fachmanns erinnerte sich der Henker an den zerfleischten Schoß des Kirchendieners und strich über die Klinge des Kurzdolches, den er für Blendungen nutzte. Der Hass auf hurende und prassende Pfaffen war groß und wurde von lutheranischen Heckenpredigern angeheizt.
    Diese Umtriebe mussten auch der Grund für den außergewöhnlichen Besuch sein, den er kurz nach acht Uhr in seiner Hütte empfing. Ein Dominikanermönch schlüpfte in den verrußten Raum, der Waffen-, Wohn-und Schlafkammer des Scharfrichters und einer Ziege war. Nur an Hinrichtungstagen und wenn es einem Bürger an Kopf und Kragen ging, stand dem Henker ein Mietshaus beim Heumarkt zur Verfügung.
    Der Mönch duckte sich unter dem Strohdach und hielt sich gegen den Gestank den Ärmel seiner Kutte vor die Nase: »Mein Name ist Aleander, ich komme aus Spanien und führe in Köln Untersuchungen im Auftrag der Heiligen Inquisition durch.«
    Misstrauisch blickte der Henker von einem Brandeisen auf: »So? Ich muss Euch warnen, Bruder, wie überall spricht auch in Köln niemand öffentlich mit dem Henker.« Das musste ein Kirchendiener doch wissen! Jedem Blutschergen nahm man die Arbeit des Tötens so übel wie dem Schinder das Abdecken von Vieh und dem Abtrittfeger das Ausschöpfen der Kloakegruben. Man rückte in der Schenke von ihm ab, legte sein Brot beim Bäcker mit dem Rücken nach oben, damit kein anderer es versehentlich kaufte, und hütete sich, ihn zu berühren, da dies die eigene Ausgrenzung nach sich zog.
    »Ich bin kein Freund des Aberglaubens, sondern des Wissens«, erwiderte der Mönch. »Und ein Mann wie du weiß so einiges über das Gesindel und darüber, welche Gefahren Köln – dieser treuen Tochter der katholischen Kirche – in Zeiten der religiösen Schwärmer droht.«
    Der Scharfrichter nickte. Oh ja, er kannte jede Menge Pack, niederes wie gehobenes. Des Nachts schlich sich so mancher zu ihm – von der Bürgersfrau bis zum redlichen Bader –, um sich die Zähne eines Gehenkten oder die Fasern eines Galgenstricks zu sichern, mit dem sich Schaden abwehren oder eine Schwangerschaft verhindern ließ. Jüdische Ärzte betrieben mit den Beinen eines Galgenvogels ihre anatomischen Studien, und Bettler nutzten die faulenden Gliedmaßen, um sie vor den Kirchen unter ihren Lumpen vorlugen zu lassen.
    Erst gestern hatte ein Bürgersöhnchen sich die Hände eines Diebes
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