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Die Tarotspielerin: Erster Band der Tarot-Trilogie (German Edition)

Die Tarotspielerin: Erster Band der Tarot-Trilogie (German Edition)

Titel: Die Tarotspielerin: Erster Band der Tarot-Trilogie (German Edition)
Autoren: Marisa Brand
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sein Brüllen aus. Geführt wurde er von Lunetta, dem Mädchen mit den traurigen Augen. Sidonia zwinkerte ihr dankbar zu, dann drehte sie sich um und sprang in den Rhein. Auch der Bärenführer Pancheo gab Fersengeld.
    Zurück blieb unter dem Gelächter der Gaffer nur der Stadtsoldat Goswin, der es erst lange nach Abzug des Bären und der Gaukler wagte, sich umzudrehen und seine nassen Hosen dem Publikum zu zeigen.

4
    Die Glocken von Sankt Kolumba läuteten zur ersten Andacht, als man im Haus des Rüstungshändlers Claas van Berck mit den Vorbereitungen für eine Pfingstfeier begann. Prunkvoll wie keine andere sollte sie sein. Ganz Köln und seine vornehmsten Bürger sollten sehen, zu was es ein ehemaliger Waffenschmiedgeselle aus den burgundischen Niederlanden bringen konnte.
    Fehlte nur noch eine Nachricht von seinem Reliquienhändler über die Heimkehr Adrians von Löwenstein. Dann könnte der Kaufmann morgen Abend sogar die Verlobung seiner Tochter Sidonia mit dem Ritter verkünden. Im Hof seines Stadtpalastes entluden Fleischer ihre blutigen Karren. Vier halbe Ochsen, Dutzende Kapaune, Wachteln und Junggänse, zwölf Lämmer, ein lebender Pfau und ungezählte Eier waren bestellt. Dazu gesalzener und grüner Fisch, Neunaugen, Aale, Brassen. Konfektkörbe mit gezuckertem Ingwer, kandierten Früchten, süßer Latwerge, Gewürzsträuße und ein spanisches Safransäckchen im Wert eines Reitpferdes fanden ihren Weg in den Küchentrakt.
    Unbeeindruckt vom Geschrei der Fuhrleute und den Übungsschüssen der Pfingstschützen, die vom Neumarkt herüberhallten, kontrollierte ein Faktor die Lieferungen. Er beanstandete grobes Mehl, hakte die Ankunft von Likörwein ab und machte eine verdrießliche Miene.
    Sein Dienstherr hingegen rieb sich, hinter den Fenstern seines Privatkontors im ersten Stock, die Hände. »Prächtig, prächtig«, raunte Claas van Berck zu sich selbst. »Was für ein Teufelskerl du bist, kleiner Lumpenclaas.« So hatte ihn sein erster Kölner Meister genannt. Ein Vierteljahrhundert war das her und bedauerlich, dass Meister »Hochmut« Volkhardt nicht mehr unter den Lebenden weilte, um mit Lumpenclaas das Pfingstmahl einzunehmen. Bei funkelndem Burgunder hätte Claas van Berck seinem toten Meister erzählt, wie er bei dessen Witwe und in der Rüstungswerkstatt sein Nachfolger geworden war.
    Den größten Waffenhandel der Reichsstadt hatte Lumpenclaas aufgebaut. Fünfzig Lehnsgüter, sechzehn Eigengüter und acht Stadthäuser nannte er nun sein Eigen. Wenn sich seine Familie erst mit den von Löwensteins verbunden hatte, war seine Wahl zum Ratsherrn, vielleicht sogar zum Bürgermeister, nur eine Frage der Zeit.
    Zwischen den Fuhrleuten im Hof tauchte seine Tochter auf. Sidonias rotblondes Haar floss ihr bis auf die Hüften. Sie klapperte auf Pantoffeln umher und griff in einen Konfektkorb. Seine neunzehnjährige Tochter trug weder Kappe noch Haarnetz, dafür einen Morgenmantel. In stummem Tadel schüttelte Claas seinen Kopf, den ein Kranz ebenfalls rötlicher Haare zierte. Sidonia trieb sich zu gern beim Gesinde herum. Es war schwer, eine temperamentvolle Tochter ohne die feste Hand einer Mutter aufzuziehen. Nur gut, dass Sidonia nun unter Aufsicht ihrer künftigen Schwiegermutter Doña Rosalia stand, einer Frau von spanischer Strenge. Ja und bald, hoffentlich sehr bald, würde seine Tochter von Ritter Adrian gebändigt werden.
    Prächtig, Prächtig! Seine Tochter würde eine Gräfin werden, Teil einer uralten Ahnentafel, und er ein gesuchter Gast und Geschäftspartner bei Kölns ersten Familien. Niemand würde ihn dann noch verspotten oder seine Geschäftsmethoden rügen. Sosehr man den verarmten Ritteradel insgeheim verachtete, so gern schmückte man sich mit dessen Titeln und Wappen.
    Was bedeuteten dagegen schon die Schuldscheine, die er dem verstorbenen Maximilian von Löwenstein hatte erlassen müssen, die vielen Waffen und Rüstungen, die er dessen Sohn Adrian über Jahre für unsinnige militärische Unternehmungen hatte zukommen lassen. Ritterfehden, pah, die Zeit der gepanzerten Helden war vorbei. Längst hatten bezahlte Söldner die Aufgaben der Kriegsführung übernommen. Van Berck war sich sicher, dass seine neuen Radschlossgewehre die Zweikampfschwerter der Ritter künftig ganz ersetzen würden.
    Sicher, er war ein finanzielles Risiko eingegangen, um die Heirat zu ermöglichen. Doch der Grafenname würde ihm am Ende ein neues Vermögen in die Kassen schwemmen und ihn unangreifbar
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