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Die Superreichen

Die Superreichen

Titel: Die Superreichen
Autoren: Chrystia Freeland
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dass es die Pflichten gegenüber den Aktionären rechtfertigten, wenn Wirtschaftsführer ihre Hand bei einem Staat aufhielten, der »bereit ist, Geschenke auszuteilen«.
    Selbst wenn die Schutzwälle durch schiere unternehmerische Brillanz aufgerichtet werden, dienen sie nicht immer dem großen Ganzen. Microsoft wurde bei Computerfreaks von einem der meistbewunderten Innovatoren zu einem Reizthema, weil es einen sehr effektiven und lukrativen Wall errichtete. Diese Verteidigungslinie machte Bill Gates zum Milliardär; Wettbewerbshüter in den USA und Europa fanden das so abträglich für uns übrige, dass sie Microsoft zwangen, ein paar Brücken darüber zu bauen.
    Alle Geschäftsleute hätten gern ihre eigene serrata . Und wenn sie im Vergleich zu anderen mächtiger werden, wächst auch ihre Fähigkeit, eine solche Abschottung zu erzwingen.
    Eines der Ziele des Goldenen Buchs in Venedig war es, das oligarchische Privileg auf die nächste Generation zu übertragen. Das ist die zweite große Bedrohung, die aus der Zunahme der Einkommensungleichheit erwächst. Heutige Plutokraten sind moderne Räuberbarone, die Nutznießer einer Ära extremen wirtschaftlichen Wandels. Aber wenn sie ihre Vermögen an ihre Kinder weitergeben, tritt an die Stelle der heutigen »arbeitenden Reichen« vielleicht eine Elite von Rentiers, die der »im Reichtum geborenen« Jeunesse dorée der goldenen Zwanziger ähnelt. Die Übertragung des Privilegs von einer Generation auf die nächste ist ein gradueller, kumulativer und sehr persönlicher Prozess. Aber als Mechanismus, der eine inklusive Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung in eine exklusive verwandelt, könnte er so mächtig sein wie die offenere Abschottung der Elite in Venedig, die serrata .
    Hier ist ein ökonomisches Phänomen am Werk, das der Vorsitzende von Präsident Obamas Wirtschaftsrat, Alan Krueger, die Gatsby-Kurve genannt hat. 9 Basierend auf Forschungen des kanadischen Ökonomen Miles Corak veranschaulicht die Gatsby-Kurve eine Korrelation zwischen Einkommensungleichheit und sozialer Mobilität: Wenn die Ungleichheit in Gesellschaften zunimmt, gerät die soziale Mobilität ins Stocken. Das schafft ein besonderes Paradox in Gesellschaften, die ihren Reichtumszuwachs an der Spitze unternehmerischer Tatkraft verdanken, die durch die Startbedingung hoher sozialer Mobilität freigesetzt wird – wie es etwa in Silicon Valley mit seinen guten öffentlichen Universitäten und staatlicher Forschungsfinanzierung der Fall ist oder in Venedig im Zeitalter der commenda . Der Erfolg dieser Gesellschaften, der sich zum Teil durch die Herausbildung einer Superelite manifestiert, droht eine der Voraussetzungen für ihren Aufstieg zu zerstören: die hohe soziale Mobilität.
    Die Mitgliedschaft in der Elite von heute äußert sich subtiler als durch einen Eintrag im Goldenen Buch des Adels oder auch die Erbschaft eines Treuhandfonds. In unserer zunehmend komplexen Wirtschaft ist das wahre Goldene Buch ein Abschluss von einer Eliteuniversität, und das ist zunehmend die Domäne der globalen Superelite. Statistiken für die USA belegen, dass zur Erlangung eines Universitätsabschlusses reiche Eltern mehr ins Gewicht fallen als gute Noten auf der High School: Die Klassenzugehörigkeit zählt mehr, als zu den Klassenbesten zu gehören. 10 Am schwersten lassen sich Einwände gegen die Vererbung des Reichtums zwischen den Generationen erheben. Es ist eine Sache, Banker zu schelten, durch Lobbyismus günstige Regulierungen zu erreichen oder Microsoft die Ausnutzung seiner Marktmacht zur Ausschaltung der Konkurrenz vorzuhalten. Aber wer wollte das oberste Prozent dafür tadeln, für seine Kinder anzustreben, was die 99 Prozent auch für ihre möchten? Hohe soziale Mobilität bedeutet jedoch auch ein gewisses Maß an Abwärtsmobilität an der Spitze, und in einer Gesellschaft, wo sich die Kluft zwischen den Reichen und den übrigen zu einem gähnenden Abgrund weitet, kann das besonders schwer zu ertragen sein.
    2012 sprach ich in Davos mit der Romanistin Ruth Simmons über den Zugang zu guten Universitäten und soziale Mobilität. Simmons genießt höchsten Respekt als erste Afroamerikanerin, die es zur Präsidentin einer Eliteuniversität brachte. Ihr Eintritt wurde von den höchsten Kreisen enthusiastisch begrüßt und mit dem begehrtesten Ritterschlag bedacht: einem Sitz im Aufsichtsrat von Goldman Sachs. (Das ist mehr als ein Statussymbol: Ihre Vergütung betrug 300 000 Dollar im Jahr, und als sie
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