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Die Supermarkt-Lüge

Die Supermarkt-Lüge

Titel: Die Supermarkt-Lüge
Autoren: Jörg Zipprick
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durchqueren. Sie biegen kurz ab, wählen ein Produkt und kehren dann auf demselben Weg zurück. Der » Shopping­forscher« führt das auf unsere Urinstinkte zurück: Ein enger Gang mit hohen »Schluchten« links und rechts generiert auch heu te noch spontanes Unwohlsein. Evolutionär sind wir darauf programmiert, sie als potentielle ­Fallen zu betrachten. Dazu passt auch, dass sich der Einkäufer am Anfang seiner Exkursion in die Seitengänge schnell bewegt und die angebotenen Produkte erst nach etwa einem Drittel der Gang­länge wahrnimmt.
    Sorensen hält nichts davon, die Kunden auf Einkaufstour quer durch den Markt zu schicken. Stattdessen sollte man die Lieblingsrouten verschiedener Kundengruppen studieren und ihnen passende Waren an den Weg stellen.
    Der Aufbau der Regale selbst folgt einem inzwischen klassisch gewordenen Muster:
    In der Regalmitte befinden sich all die Waren, die sich gut verkaufen sollen. Sie sind in der Regel etwas teurer. Günstiges wartet unten, in der Bückzone . Die Bückzone beginnt unterhalb von 60 cm, das heißt, wir müssen in die Knie gehen, um die Waren dort begutachten zu können. Auch in der Streckzone oberhalb von 180 cm finden sich oft die günstigeren Artikel. Die Sichtzone liegt bei
140– 180 cm, die Greifzone bei 60–140 cm, beide zusammen bilden die begehrte Regalmitte. Diese Platzierungsmethoden sind inzwischen so ausgereift, dass manche Märkte sogar einen Größenunterschied von circa zehn cm zwischen Männern und Frauen einkalkulieren; Artikel für ­Damen werden in der Sichtzone dann unter den Waren mit maskuliner Zielgruppe platziert. Natürlich gibt es kleine Männer und große Frauen, doch der Supermarkt orientiert sich selbstverständlich an der Masse. In vielen Märkten kann ein Hersteller gegen Zahlung einer Gebühr seine Platzierung verbessern, ansonsten gilt die Faustregel: Teure Markenwaren finden sich in Greif- und Sichtzone, günstige Waren und Handelsmarken in Bück- und Streckzone.
    ! TIPP: Kaufen sie nicht wahllos, worauf ihr Auge fällt. Ein kurzer Blick in die Bück- und Streckzonen spart gutes Geld.
    Neben den Regalen selbst finden sich diverse Aufsteller und Wühltische, die um unsere Aufmerksamkeit buhlen. Fachleute nennen das Blocking . »Hier wird es günstig«, signalisiert der Wühltisch und ruft zum Spontankauf. Das kann, muss aber nicht stimmen. Wer Preise vergleichen will, muss oft einen Weg durch den halben Markt zum entsprechenden Regal antreten. Ähnliches gilt für Waren, die mit Aufschriften wie »Tiefstpreis«, »radikal reduziert« oder »Rabatt« angeboten werden. Dieser Schlag auf die Werbetrommel bezieht sich höchstens auf einen Artikel eines bestimmten Herstellers in einem bestimmten Markt. Ob es tatsächlich ein »Tiefstpreis« ist, kann man nur durch Preisvergleich feststellen. Auch beliebt ist es, einen Tisch mit Waren zum Normalpreis zwischen zwei Tische mit Sonderpreisen zu schieben. Ein Kunde, der nicht ganz genau hinschaut, fällt darauf rein und meint, die Sonderpreise würden gleichsam für alle drei ­Tische gelten. Doch billig allein verkauft sich interessanterweise auch nicht. Steht ein teurer Artikel neben einem preiswerten, dann entscheiden sich viele Kunden für die kostspieligere Lösung.
    Weitere Versuchungen kreiert sogenanntes Cross-Selling , zu Deutsch: Querverkauf oder Kreuzverkauf. Wenn man zu McDonald’s geht, um einen Burger zu bestellen, wird man sofort gefragt, ob man auch Pommes frites dazu möchte. Und wer auf den Webseiten von EasyJet oder Expedia einen Flug bucht, bekommt prompt Angebote für ­Hotels und Mietwagen am Zielort angezeigt. Beim Cross-Selling geht also um Produkte, die sich – vermeintlich – gut ergänzen und die man daher unbedingt zusammen kaufen sollte. Bier und Salzstangen etwa, oder Wein und Käse, Spaghetti und Bolognese-Sauce oder Mozzarella und Basilikum. Der Erfindungsreichtum der Verkäufer wird nur durch unsere Ernährungsgewohnheiten begrenzt.
    Mineralwasser oder Toiletten­papier findet der Kunde wie viele andere Dinge des Alltagsbedarfs immer im hinteren Teil des Supermarktes. Er muss ihn also ganz durchqueren, wenn er einen gewöhnlichen Einkauf tätigen will. Selbstverständlich ist das vom Händler so beabsichtigt, denn statistisch gesehen erhöht jede Minute, die ein ­Kunde im Supermarkt verbringt,
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