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Die Supermarkt-Lüge

Die Supermarkt-Lüge

Titel: Die Supermarkt-Lüge
Autoren: Jörg Zipprick
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Körbe zunehmend durch nicht sehr praktische »Rollis« ersetzt. Diese Körbe auf Rädern zieht man hinter sich her. Sie sind größer und tiefer als die herkömmlichen Henkelkörbe und nehmen dadurch, dass man das Gewicht ihres Inhalts nicht spürt, das Prinzip des Einkaufswagens auf.
    Beim Einkaufswagen selbst gilt die Regel »je größer desto besser« – besser für den Umsatz. In kleinen Wagen stapeln sich die Waren schnell, im großen Wagen hingegen liegen sie verloren nebeneinander. Das beruhigt die Augen und das Gewissen, da kann man noch was »draufpacken«. Paco Underhill, der bekannteste »Einkaufsforscher« der USA und Gründer des weltweit tätigen Beratungsunternehmens Envirosell hat dies bei Pfaltzgraff ausgetestet. Pfaltzgraff ist ein amerikanischer Anbieter von Haushaltsartikeln. Nachdem Underhills Mitarbeiter an den Kassen registriert hatten, dass viele Kunden das Potential ihres Wagens voll ausschöpfen, empfahl der Shopping-Papst um 40 Prozent größere Wagenmodelle einzuführen. Der Umsatz schnellte in die Höhe.
    Beliebig oft lässt sich diese Maßnahme allerdings nicht wiederholen, sonst werden die Gänge zu klein für die Wagen. Ein 180-Liter Wagen ist gut 70 cm breit. Damit zwei davon halbwegs komfortabel aneinander vorbei manövriert werden können, müssen die Gänge zwischen den ­Regalen mindestens 160 cm breit sein, zwei Meter gelten als ideal. Das kann sich zwar verkaufsfördernd auswirken – vielleicht als Rest eines evolutionären Urtriebs stöbern Kunden ungern durch dunkle, enge Gassen –, doch schränken die breiten Gänge die Verkaufsfläche ein.
    So ein Wagen, zumal im XXL-Format, hat ein gewisses Eigengewicht. Und das darf sich keinesfalls bemerkbar machen: Wer einen schweren Wagen schiebt und schubst, der bekommt ganz schnell den Eindruck, heute schon genug eingekauft zu haben. Jeder gewissenhafte Marktleiter achtet deshalb darauf, dass sein Wagenpark in einwandfreiem Zustand ist und keines der Räder blockiert.
    Auch bauliche Maßnahmen tragen zum Verkaufserfolg bei. So sollte der Kunde den Einkaufswagen keinesfalls »bergauf« drücken müssen – da merkt man das Gewicht. Der gute Supermarktboden ist perfekt eben, ohne Dellen, zerbrochene Fliesen oder andere Hindernisse. Teilweise kann eine minimale Neigung dafür sorgen, dass der Einkaufswagen fast von selbst rollt; wir Kunden werden dann gewissermaßen in den Markt »hineingezogen«.
    Und was passiert, wenn man wirklich ohne Wagen und Korb unterwegs ist? Momentan noch gar nichts. Underhill empfiehlt jedoch, dass Kunden, die mehr als zwei ­Artikel in den bloßen Händen tragen, sofort vom Personal einen Korb überreicht bekommen sollen. Bis in deutsche Supermärkte hat sich diese Erkenntnis noch nicht herum gesprochen, die japanische Bekleidungskette Uniqlo (und viele andere Unternehmen) wenden sie jedoch erfolgreich an.
    Einkäufer mit Kindern sind übrigens die idealen Opfer für jede Art von Verkaufsstrategie. Die Shoppingexperten setzen darauf, dass der Nachwuchs von heute an der Selbstbedienung teilnimmt und eigene Wünsche durchsetzt. Entsprechend sind die niedlichen Mini-Wägelchen für die Kleinen weder Leihspielzeug noch Erziehungs­hilfe, sondern zielen darauf ab, dass Eltern die Auseinandersetzung mit ihren Kindern in der Öffentlichkeit scheuen und deren Wünsche, wenn sie nur lange genug quengeln, ­spätestens während nervenaufreibender Wartezeiten an der Kasse erfüllen werden. Entsprechend heißt der Bereich vor der Kasse auch ganz offiziell Quengelzone .
    Sozusagen das Gegenteil des Kindes – und damit der Albtraum vieler Shoppingforscher – ist schlicht und einfach der Mann . Zumindest wenn man Paco Underhill glaubt, der seine Profitipps auch den Endkunden in Büchern wie Why we buy ( dt. Ü.: Warum kaufen wir?), Call of the mall ( etwa: Lockruf des Einkaufszentrums ) oder What women want ( dt. Ü.: Was Frauen wollen) nahebringt.
    Abgesehen von Baumärkten, Läden für Autozubehör und Fachgeschäften für Computer und Unterhaltungselektronik gelten Männer als »Shoppingverhinderer«. Sie gehen den Einkauf im Supermarkt wahrscheinlich wie einst das Jagen und Sammeln an, gemäß den Devisen »da müssen wir jetzt durch« und »das bringen wir schnell hinter uns«. Bisher haben Underhill und Kollegen
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