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Die Sturmreiterin - Hennen, B: Sturmreiterin

Die Sturmreiterin - Hennen, B: Sturmreiterin

Titel: Die Sturmreiterin - Hennen, B: Sturmreiterin
Autoren: Bernhard Hennen
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Weile die schlangenartigen Fische, die sich im Todeskampf in hohen Weidenkörben wanden. Man sagte, dass sie Aas fraßen und man dort, wo sich viele Aale tummelten, manchmal eine Leiche im Fluss finden konnte. Angewidert wandte die junge Frau sich ab, flanierte an der Dreifaltigkeitssäule vorbei zum prächtigen, barocken Herkulesbrunnen, wo im Schatten des antiken Helden zwei Bäuerinnen ihre Marktstände aufgeschlagen hatten. Sie boten allerlei Gemüse feil, hatten aber auch einen Stapel aus kleinen, hölzernen Käfigen aufgetürmt, in denen gut ein Dutzend weißer und brauner Hühner auf den Kochtopf warteten.
    Direkt neben den beiden Weibern hatte ein Moritatenerzähler seine bunte Tafel aufgestellt. In lautem Singsang trug er die Geschichte eines Wolfsmannes vor, der in den Sümpfen vor Sankt Petersburg sein Unwesen trieb, bis ihn ein tapferer Kosakenhauptmann der Kaiserin Katharina bei Vollmond in den Ruinen eines alten Klosters stellte. Mit einem Ohr hörte Gabriela der Geschichte zu, während sie die Hühner musterte. Schließlich entschied sie sich für zwei fette braune Hennen.
    »Nun, Mädchen, hast dir die schönsten Damen aus meinem Hühnerstall ausgesucht. Legen jeden Morgen brav ein Ei«, lobte die hagere, alte Bäuerin, die über die Hühner wachte. »Ich hoffe, du hast einen munteren Hahn im Hof!« Die Alte grinste zweideutig, sodass man deutlich die wenigen braunen Zahnstümpfe sehen konnte, die ihr noch geblieben waren. »Lass deinen Liebsten jeden Morgen ein frisches Hühnerei trinken, und ich verspreche dir, er wird dir allabendlich Freude bereiten.«
    »Mein Liebster ist tot«, entgegnete Gabriela knapp und zählte der Bäuerin das Geld für die Hühner in die Hand. »Und was das Federvieh angeht, die beiden werden noch heute im Topf landen, um zur Abendstunde auf der Tafel meines Onkels zu stehen.«
    »Armes Kind. Bist noch so jung und musst schon wie eine Nonne leben … « Wieder grinste die Alte. Dann nahm sie eins der Hühner aus dem Käfig und brach dem lauthals gackernden Vogel beide Flügel. Mit dem Kopf nach unten reichte sie der jungen Frau das Huhn und öffnete den zweiten Käfig. »So wird die Gute stillhalten, wenn du sie nach Hause trägst, Liebchen. Musst du weit aufs Land hinaus?« Krachend brachen die Flügelknochen des zweiten Huhns.
    »Nur zur Garnison.«
    Die Bäuerin nickte. »Gut hast du’s. Ich werde schon lange vor Sonnenuntergang meinen Stand abbrechen, um mit meiner Schwester zusammen auf unseren Hof zurückzukehren. Bei Dunkelheit ist man ja seines Lebens nicht mehr sicher!«
    Gabriela blickte die Alte fragend an. »So?«
    »Ja, hast du denn noch nicht von der Bestie gehört? Was glaubst denn du, warum der Sachse dort hinten ausgerechnet seine Werwolfgeschichte erzählt und sich die Leute die Füße plattstehen, um ihm zuzuhören. Geh nur mal hinüber und sieh dir die Bilder von dem Untier an, dann weißt du, was dich erwartet, wenn du bei Nacht auf den Straßen unterwegs bist. Vor drei Tagen erst hat das Ungeheuer den Gehängten am Wegkreuz nach Sternberg vom Galgen geholt und ihm sein fauliges Fleisch von den Knochen gerissen. Alle Schafshirten hier ringsherum haben ihn bei Nacht heulen gehört und die meisten haben auch schon ein paar Lämmer an ihn verloren. Holt sich nur das Beste, das Ungeheuer … Zartes Fleisch, das ist sein Pläsier. Drum pass auf, wenn du spät auf der Straße unterwegs bist. Würd’ mich nicht wundern, wenn sich das Ungeheuer sogar bis in die Stadt hineinwagte. Es hat den Leibhaftigen im Leib, sag ich dir. So schlau wie der Gott-sei-bei-uns ist es allemal.« Die Alte schlug ein Kreuz und murmelte etwas Unverständliches. »Niemand, der ausgezogen ist, die Bestie zu jagen, hat sie auch nur zu Gesicht bekommen. So als wüsste der Werwolf schon vorher, wann die Jäger kommen. Nur ein paar Fußstapfen von ihm haben sie gefunden, groß wie Bärentatzen. Ich sag dir … «
    Gabriela lächelte breit. »Lass gut sein, Bäuerin. Ich muss zur Festung zurück und die Küche richten, um das Mahl vorzubereiten und … «
    »Warte!« Die Alte hielt sie am Arm fest. »Auf ein Wort noch, Mädchen.« Sie zog unter ihrer Bluse eine Schnur hervor, die aus blondem Haar geflochten war. Daran hing ein kleines silbernes Kreuz. »Heut’ morgen war ich im Dom des heiligen Wenzel droben auf dem Fürstenberg. Als der Küster gerade nicht hingeschaut hat, hab ich es schnell ins Weihwasserbecken getaucht. Kein Höllengeschöpf kann dich berühren, wenn du so etwas
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