Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Sturmreiterin - Hennen, B: Sturmreiterin

Die Sturmreiterin - Hennen, B: Sturmreiterin

Titel: Die Sturmreiterin - Hennen, B: Sturmreiterin
Autoren: Bernhard Hennen
Vom Netzwerk:
großen Fluss zu überqueren. Man sollte denken, sie sei zu den Türken geflohen.
    »Du halb verhungerte Wölfin willst also meine Nichte sein!« Ungläubig musterte der Festungskommandant das Weib, das man zu ihm in den Kartenraum gebracht hatte. »Warum sollte ich dir das glauben? Ich habe die Tochter meines Bruders seit ihrer Kindheit nicht mehr gesehen.« Er musterte die lange, nur halb verheilte Schnittwunde auf der Wange der jungen Frau, die vor ihm stand. Fast wie ein Knabe sah sie aus mit ihren breiten Augenbrauen, dem sonnenverbrannten Gesicht und ihrem schlanken Körper. Das einfache rote Kleid, das sie trug, schien irgendwie nicht zu ihr zu passen. Die Säume waren mit Schlamm und Unrat von den Straßen bespritzt, und sie hatte etwas an sich, das alles andere als damenhaft wirkte. Vielleicht war das aber auch der Hunger. Während sie sprachen, stierte die Fremde immer wieder zu den Resten des Bratens hinüber, den er zu Mittag verspeist hatte. Das silberne Tablett mit Fleisch, gekochtem Gemüse und Brot stand noch auf dem Kartentisch. Daneben eine tönerne Karaffe mit trockenem Rotem.
    »Ich habe Beweise dafür, die Tochter des Carolus Freiherr von Bretton zu sein. Wenn Sie dem Wachtmeister befehlen, den Säbel hereinzubringen, den man mir abgenommen hat, dann werden Sie darin die Waffe Ihres Bruders erkennen.«
    »So.« Der General musterte sie noch einmal. Sein Blick fiel auf ihre spitz zulaufenden Stiefel. Die ungarischen Reiter oder auch die Grenzer trugen solches Schuhwerk. Wahrscheinlich war das Weib irgendein Soldatenliebchen. Im Grunde hatte er keine Zeit, sich mit solchen Bagatellen herumzuschlagen. Es gab Ärger mit dem Bau der Westschanze, und er musste eigentlich hin und die Arbeiten inspizieren. Aber das junge Weib weckte sein Interesse. Er gab dem Soldaten an der Tür einen Wink. »Bring er mir den Säbel, den der Wachtmeister Jarek beschlagnahmt hat.«
    Der Soldat salutierte zackig und verschwand durch die Tür.
    »Was führt dich nach Olmütz, Weib?«
    Zum ersten Mal schlug die junge Frau die Augen nieder. Bislang hatte sie ihm herausfordernd ins Gesicht geblickt, doch diese Frage war ihr offenbar peinlich.
    »Ich … ähm … Ich hatte gehofft, dass Ihr mich in Euren Haushalt aufnehmen könntet, Herr Onkel. Ihr werdet Euch damit keine Laus in den Pelz setzen! Ich kann arbeiten … Euch den Haushalt führen und … «
    Der General schüttelte den Kopf. »Ich habe einen Stiefelknecht, einen Koch und einen Jungen, der sich um die Kleinigkeiten kümmert. Was sollte ich da noch mit dir anfangen?« Die Fremde fing an, ihn zu langweilen. Er war lediglich gespannt, was für eine Geschichte sie ihm auftischen würde, wie sie an den Säbel seines Bruders gekommen war. Er wusste, dass seine Nichte mit einem Oberstzollmeister verheiratet war. Was zum Henker sollte sie hierhertreiben? Dieses Weib war eine Vagabundin. Das sah man auf den ersten Blick!
    Schweigend blickte der Festungskommandant aus dem Fenster auf den Exerzierplatz und sah den jungen Rekruten beim Marschieren zu. Hinter sich hörte er das Weib unruhig von einem Fuß auf den anderen treten. Endlich ging die Tür auf.
    »Herr General! Der Säbel.« Der junge Wachsoldat stand in der Türe und blickte erwartungsvoll zu ihm herüber.
    Der Festungskommandant gab ihm ein Zeichen, die Waffe auf den Kartentisch zu legen. Der Soldat gehorchte und zog sich auf seinen Posten an der Tür zurück.
    »Ist das die Waffe, die dir der Wachtmeister abgenommen hat?«
    Das Weibsbild nickte.
    General Bretton nahm die Waffe vom Tisch und betrachtete sie eingehend. Es konnte keinen Zweifel geben, es war der Säbel seines Bruders. Er war ein Einzelstück. Ihr Vater hatte ihn Carolus geschenkt, bevor sie beide mit Prinz Eugen gegen die Türken gezogen waren. Die Finger des Offiziers glitten über die tiefe Kerbe, die in den fein ziselierten Korb, der den Griff schützte, geschlagen war. Bei einem Armeesäbel mit einem einfachen Bügel hätte dieser Treffer seinen Bruder damals wohl sämtliche Finger gekostet. Der Kommandant blickte zu der jungen Frau.
    »Wenn du die Tochter meines Bruders bist, weißt du sicherlich, woher diese Kerbe stammt.« Er zeigte auf die tiefe Scharte in dem polierten Messingkorb.
    »Sie stammt von einem Offizier der Siphai aus dem Heer des Großwesirs Chalil Pascha, der 1717 mit seiner Armee Belgrad belagerte. Mein Vater gehörte damals zu den Husaren des Obristen Babocsay. Ihr, Onkel, dientet zu der Zeit unter dem
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher