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Die Sturmreiterin - Hennen, B: Sturmreiterin

Die Sturmreiterin - Hennen, B: Sturmreiterin

Titel: Die Sturmreiterin - Hennen, B: Sturmreiterin
Autoren: Bernhard Hennen
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trägst. Es reicht schon, wenn du das mit einem Holzkreuz machst. Eins aus Silber ist freilich besser … «
    Ungeduldig riss sich Gabriela los. Ihr reichten die Ammenmärchen der Alten. Es lag ihr auf der Zunge, der Bäuerin einfach ins Gesicht zu sagen, was sie von ihr hielt. Wer so aussah wie sie, brauchte keine Angst zu haben, dass sich irgendein Geschöpf, das seinen Schwanz zwischen den Beinen trug, um einen scherte. Ihr Gesicht und ihr stinkender Atem waren ein besserer Schutz als jedes Kreuz.
    Ein Huhn in jeder Hand schlenderte Gabriela zur anderen Seite des Marktes hinüber. Vorbei an den Zigeunern mit ihrem Tanzbären und dem abgerissenen Wanderprediger, der über die gottlosen Zustände am Hof des Franzosenkönigs wetterte. Ihre Runde endete vor dem Cäsarenbrunnen, wo ein Mann in gelbem Gehrock und mit scharlachroter Weste aus feinem Tuch auf einem Wagen stand und den Leuten rings herum eine Auswahl kleiner Fläschchen zeigte.
    »Schaut her, die Wunder der modernen Medizin! Tinkturen, angefertigt nach den geheimen Rezepten des Paracelsus und des Magus Cagliostro. Plagen euch Schmerzen, Gliederreißen und verwachsene Nägel? Mag es nachts bei den Damen nicht mehr so recht klappen oder sprießen euch die Haare überall am Leib, nur auf dem Haupte nicht mehr? Arcimbaldo weiß für jeden Rat! Er hält ein Wässerchen gegen jeden Verdruss parat. Auch versteht er sich auf die Kunst des Zahnausreißens und des Aderlasses. So eilt herbei und bringt das Glück zurück an euren Herd, wenn es euch einen Taler wert ist!«
    »Warum ziehst du denn in einem Wagen durch die Lande, Italiener, wenn du das Glück gefunden hast? Warum bist du nicht Leibarzt an einem Fürstenhof?«, rief ein junger Büchsenmeister in wolfsbrauner Uniform.
    »Nun, mein Freund, das Glück ist ein wunderlich Ding«, der Medicus drehte seine Schnurrbartspitze zwischen Daumen und Zeigefinger und blickte gelassen zu dem Artilleristen hinab. »Als ich jung war wie du, glaubte ich auch, mein Glück bei den Soldaten zu finden, doch die langen Kerls vom Preußen Fritz haben mich bei Mollwitz Demut gelehrt, und im Jahr darauf haben mir Zietens Husaren bei Chotusitz fast die Seele aus dem Leib geprügelt. Als dann endlich Frieden war, war ich froh, meinen Soldatenrock abzulegen, und bin in Prag und Mailand an den großen Universitäten gewesen, um mich den Wundern der Heilkunst zu widmen, denn als ich bei Chotusitz überlebte, habe ich mir beim Herren geschworen, mein Leben künftig dem Wohle der Gemeinen zu widmen und niemals wieder auf jemanden mit Säbel und Schießprügel loszugehen.«
    »Heh, Kerl, wenn du schon als Soldat nichts dargestellt hast, warum sollte ich dir dann als Medicus mein Vertrauen schenken?«
    Der Wunderdoktor zog eine Grimasse. »Wer bin ich, den ungläubigen Thomas bekehren zu wollen? Doch eins sag ich dir, mein Freund, wenn dich des Nachts der Zahnschmerz plagt, dann wirst du mir vom Saulus zum Paulus werden, denn ich bin nicht wie jene Barbiere, die glauben, weil sie sich auf das Haareschneiden verstehen, auch die hohe Kunst des Zahnausreißens zu beherrschen!«
    Gabriela hatte genug von dem Geschwätz und wollte schon weitergehen, als der Wunderheiler plötzlich mit ausgestrecktem Arm in ihre Richtung deutete. »Haltet ein, holde Maid! In euch erkenne ich eine tugendhafte Seele, die meine Kunst wohl zu schätzen weiß.«
    »Was wollt Ihr von mir?«
    Der falkengesichtige Quacksalber lächelte kokett. »Nicht weniger, als einen Schatten aus Eurem Leben nehmen, meine Schöne.«
    »Wie meint Ihr das?« Alle hatten sich jetzt zu ihr umgedreht und warteten gespannt, was geschehen würde.
    »Nun, jeder kann sehen, dass Euer Gesicht gezeichnet ist … Ganz als hätte Euch der Huf Satans gestreift.«
    »Haltet Euer Schandmaul, Mann! Ich habe immer tugendhaft gelebt und … «
    »Ruhig, ruhig! Ihr scheint mir das Temperament einer Wildkatze zu haben.« Der Quacksalber rollte den rechten Ärmel seines Gehrocks auf und streifte sein Hemd zurück. »Komm her und sag mir, was du dort siehst.« Er zeigte auf seinen dicht mit schwarzen Haaren bewachsenen Unterarm. »Nun zier dich nicht. Das alles ist schnell vorbei, wenn du mir den Gefallen tust.«
    Gabriela hatte das Gefühl, dass jeder auf dem Platz die rote Narbe auf ihrer Wange anstarrte. Sie spürte, wie ihr das Blut in den Kopf stieg. Wütend biss sie sich auf die Lippen. Am liebsten würde sie einfach davonlaufen … Doch diese Stadt war jetzt ihre Heimat. Die Leute würden noch
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