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Die Sturmreiterin - Hennen, B: Sturmreiterin

Die Sturmreiterin - Hennen, B: Sturmreiterin

Titel: Die Sturmreiterin - Hennen, B: Sturmreiterin
Autoren: Bernhard Hennen
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vor. Er zitterte leicht.
    Fast berührte die Klinge ihre Kehle, als sie ihm die Pistole auf die Brust setzte und abdrückte. Ein scharfes metallisches Klacken erklang … und nichts geschah. Es war zu wenig Pulver auf der Pfanne gewesen. Der Funken hatte nicht gezündet!
    »Fahr zur Hölle, Flintenweib!« Janosch stieß mit dem Messer zu.
    Gabriela duckte sich. Die Klinge schnitt über ihre Wange. Sie riss den Pistolenkasten von der Kommode und zog die zweite Waffe aus dem Samtfutter. Die Hure, die Janosch angeschleppt hatte, fing an, hysterisch zu kreischen.
    Der Zöllner hob das Messer, um erneut zuzustoßen. Gabriela riss den Hahn zurück und drückte ab. Mit infernalischem Getöse löste sich ein Schuss. Janosch wurde nach hinten gerissen, schlug gegen den Tisch und fiel dann zu Boden. Grauer Pulverdampf zog wie Nebel durch die Stube. Der Knall des Schusses hallte in Gabrielas Ohren nach. Sie spürte warmes Blut ihre Wange hinabrinnen.
    Janosch lag grotesk verrenkt neben dem Tisch. Die Kugel hatte ihn in die Hüfte getroffen. Seine klaren, blauen Augen starrten leblos zur Decke. Die Hure beugte sich über ihn. Mit Streifen, die sie von ihrem Rock gerissen hatte, versuchte sie die Blutung zu stillen. Dann starrte sie zu Gabriela. »Dich bring ich an den Galgen, Mörderin!« Sie hob das Messer auf, das neben Janosch lag. »Wirf die Waffe weg, Mörderin, oder ich bringe zu Ende, was er angefangen hat, du treulose Schlampe … «
    »Lass das … Wir müssen den Arzt aus der Stadt holen.«
    »Er braucht … keinen … Arzt mehr!«, stieß die Hure schluchzend hervor. »Mein Janosch … « Sie strich dem Zöllner eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Dann war sie plötzlich mit einem Satz auf den Beinen.
    Im Reflex hob Gabriela die Pistole und schlug mit dem Knauf zu. Sie traf das Weib direkt über der Schläfe und die Dirne stürzte wie ein Sack Mehl zu Boden.
    Wie versteinert starrte die Zöllnerin auf die beiden Gestalten am Boden. Die Waffe in ihrer Hand schien ihr so schwer wie ein Mühlstein.
    Polternd fiel die Pistole zu Boden. Was hatte sie nur getan! Sie war eine Mörderin! Dafür würde sie hängen … Sie dachte an den Galgen aus altersgrauem Holz, der auf dem Hügel vor Orschowa stand. Man ließ die Hingerichteten zur Abschreckung ein paar Tage hängen. Sobald die Schaulustigen gegangen waren, kamen die Raben … Schaudernd dachte sie an die großen schwarzen Vögel. Ein paarmal hatte Gabriela von weitem gesehen, wie sie auf den Schultern der Gehängten hockten. Fast als seien sie noch lebendig, hatten sich die Toten tanzend am Seil gedreht und gewunden, wenn die Raben ihnen mit kräftigen Schnabelhieben das kalte Fleisch von den Knochen rissen.
    Die Zöllnerin keuchte. Lieber würde sie sich selbst richten, als so zu enden. Wieder blickte sie zu den beiden. Sie hatte sich doch nur gewehrt! Janosch hatte versucht, sie umzubringen. Aber das würde die Richter wohl kaum interessieren. Und Gott allein wusste, wie diese Dirne den Vorfall erzählen mochte. Wahrscheinlich würde sie ihr alle Schuld zuschieben.
    Gabriela dachte an die Räuber, die manchmal über den großen Fluss kamen. Vielleicht hatte Janosch recht … Wenn man es richtig anfing, konnte man die Sache so darstellen, als sei das Gehöft überfallen worden. Ihre nächsten Nachbarn wohnten mehr als eine Meile entfernt. Wahrscheinlich hatte niemand den Schuss gehört. Wenn sie alle Wertsachen zusammenraffte und das Pferd aus dem Stall nahm, dann würde es so aussehen, als seien Plünderer im Haus gewesen.
    Die Hure stöhnte leise. Gabriela fluchte stumm. Sie lebte also … Die Dirne würde allen erzählen, wie das Flintenweib des Zöllners ihren Mann erschossen hatte. Solange sie lebte, gab es keine Aussicht davonzukommen … Was sollte sie nur tun?
    Verzweifelt sah sich Gabriela in der Stube um, bis ihr Blick an dem kleinen, geschnitzten Holzkreuz an der Wand über dem Bett verweilte. In fast verblichenen Farben war eine Jesusgestalt darauf gemalt. Das Kreuz hatte ihrer Mutter gehört. Angeblich war es sehr alt. Es war das einzige Erinnerungsstück an ihre Mutter, das ihr geblieben war. Sie würde es nicht zurücklassen.
    Gott wusste, dass sie keine Mörderin war! Auch wenn die Menschen sie richten würden, durfte sie immer noch auf seine Gnade hoffen. Doch wenn sie die Hure tötete, hätte sie auf immer ihr Seelenheil verwirkt. Sie wusste jetzt, was zu tun war. Sie würde ihre Stute satteln und nach Süden reiten, um an einer seichten Stelle den
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