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Die Stunde des Raben

Die Stunde des Raben

Titel: Die Stunde des Raben
Autoren: Boris Pfeiffer
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als Karneval kennen.«
    »Richtig«, nickte der Meister. »Einen Erkenntnispunkt für dich.« Er warf einen wabbelig aussehenden Ball in den Sand.
    »Ich war aber noch nicht fertig!«, protestierte Coralia. »Das Wetten war im alten Rom zwar allgemein verboten, nicht aber im Zirkus und bei den Wagenrennen. Das besagten unter anderem die Lex Cornelia, die Lex Publica und die Lex Titia. Und die Strafen bei Zuwiderhandlung waren um einiges höher als der Wetteinsatz oder der Gewinn. Außerdem konnte man per Gesetz auch keine Wettschulden eintreiben. Wer also nicht bezahlen wollte, der musste nicht.« Sie lächelte keck. »Es sei denn natürlich, sein Wettgegner war stärker oder mächtiger als er selbst. Dann beugte man sich wohl besser der Gewalt. Mal ehrlich, Meister Hardy, das ist doch mindestens fünf Punkte wert!«
    Der Meister sah Coralia nachdenklich an. »Übertreiben wir es nicht. Aber na gut, drei Punkte sollst du haben.«
    »Meister Hardy!«, rief es in diesem Moment vom Eingang. »Ihr seid so freigiebig mit den Erkenntnispunkten wie die Wüste mit dem Sand!«
    Meisterin Abel, die einen roten Trainingsanzug anhatte und wie immer leichtfüßig über den Sandboden der Arena lief, hatte die Sportstätte betreten. »Drei Punkte für theoretisches Grundwissen, das höchstens zwei wert ist. Noch dazu, wenn man bedenkt, wie es in Wirklichkeit im alten Rom zuging. Wer kann mir dazu etwas sagen? Wie sah das Wettleben der Römer in Wahrheit aus?«
    Filine meldete sich. »Die Römer liebten kaum etwas anderes so sehr wie das Wetten. Deswegen waren Würfelspiele weit verbreitet, und es gab viele Wettbüros und Spielhöllen. Und die Cäsaren, allen voran Augustus, hielten sich überhaupt nicht an die Saturnalien.«
    »So ist es«, sagte Meisterin Abel. »Gesetz und Wirklichkeit klafften weit auseinander. Sie verhalten sich sowieso oft sehr widersprüchlich. Denkt daran, wenn ihr in eine Flut geratet und meint, schon alles über die jeweilige Zeit zu wissen. Haltet euch stets nur daran, was ihr seht, und nicht daran, wie es laut Gesetz oder einiger unvollständiger Schulbücher sein sollte. Drei Punkte für dich, Filine.«
    Coralia warf Filine einen wütenden Blick zu.
    »Und nun zur heutigen Einheit.« Die Meisterin nahm den Ball auf, den Meister Hardy mitgebracht hatte. »Das wird ein Spiel sein, das nahezu ohne Gesetz auskommt. Wir werden euch heute mit dem Ludere raptim bekannt machen oder auch dem Harpastum. Es ist schrecklich einfach und gilt doch als eines der härtesten aller Ballspiele.«
    Sie hielt den Ball in die Höhe. »Was ihr hier seht, ist eine luftgefüllte Schweinsblase. No, hilfst du mir bitte.«
    No, der etwas abseits stand, kam näher. Meisterin Abel lächelte ihm zu. »Wenn du sie bitte noch einen Moment in der heißen Asche hinten in der Ecke wälzen könntest.«
    »Warum denn ich? Und wieso überhaupt?«
    »Ich dachte, du magst diese handwerklichen Aufgaben?« Meisterin Abel sah No fragend an. »Die Wärme führt dazu, dass die Schweinsblase schön weich und dehnbar wird. Dann kann man sie besser aufblasen. Schließlich soll das Spielgerät später so prall und fest wie möglich sein! Im Moment ähnelt es ja eher seinem Originalzustand als einem Harpastum. Was heißt Harpastum, No?«
    »Keine Ahnung!«, sagte der Lehrling mürrisch.
    »Keine Ahnung, kein Punkt«, zwinkerte ihm die Meisterin zu.
    Ottmar meldetet sich. »Als Ding heißt Harpastum kleiner Ball, aber es bedeutet auch Übungen mit dem kleinen Ball. «
    »Sehr gut. Der Punkt geht an dich, Ottmar. No, wenn die Schweinsblase weich ist, bläst du sie bitte so fest wie möglich auf und bindest sie dann wieder ordentlich zu.«
    No zuckte die Achseln, nahm die Blase und ging damit zu einem niedergebrannten Feuer am Rande der Arena. Währenddessen zog die Meisterin einen langen Strich in der Mitte des Platzes. Dann maß sie in jede Richtung 75 Schritte ab und zog dort wiederum einen Strich in den Sand.
    »Das Ludere raptim«, erklärte sie, »gehörte bis ins 5. Jahrhundert zu den beliebtesten Ballsportarten der Römer. Das Ziel ist es, den Ball hinter die Linie der gegnerischen Mannschaft zu bringen. Die Mannschaftsstärke kann man frei bestimmen. Aber damit es Spaß macht, müssen es mindestens drei Spieler auf jeder Seite sein. Den Ball darf man sowohl aus der Luft fangen, werfen, schießen oder mit der Hand schlagen. Und«, sie sah Meister Hardy an und lächelte, »körperbetonte Zweikämpfe waren elementarer Bestandteil des Spiels.«
    »Ja,
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