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Die Stunde des Raben

Die Stunde des Raben

Titel: Die Stunde des Raben
Autoren: Boris Pfeiffer
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man nicht austricksen. Genau deswegen ist es auch nicht demokratisch, sondern willkürlich. Der Ausgang des Spiels steht allein in den Sternen.«
    »Dann zeige ich es deinen Sternen jetzt mal!«, sagte No wütend, nahm den Würfel, schloss die Schiebewand und warf ihn in den Turm. Dann zog er die Klappe wieder auf. Er hatte eine Sechs. Der blonde Lehrling grinste zufrieden. »Okay! Der Hammer hat zugeschlagen. Los, Rufus, du bist dran. Leg gleich noch eine nach!«
    Rufus wiederholte die Prozedur. Doch als er die Klappe aufzog, zeigte der Würfel nur eine Zwei.
    »Im Moment spielen No, Filine und ich zusammen«, verkündete Lucy. »Ottmar, du bist dran.«
    Ottmar nahm den blauen Würfel und versuchte sein Glück. Er warf eine Zwei wie Rufus.
    Filine lächelte. »Damit stehen die Mannschaften fest. Lucy, No und ich gegen Rufus, Ottmar und Coralia. Jungen und Mädchen sind gut verteilt.«
    »Nur dass ich mit zwei Mädchen spielen muss«, stöhnte No.
    In diesem Moment ertönten eilige Schritte hinter ihm. Es war Coralia. Das dunkelhaarige Lehrlingsmädchen trug immer noch ihr orientalisches Tanzkostüm, das aus einem münzbesetzten Oberteil und einem langen, mit Goldfäden durchwirktem Rock bestand. Darüber hatte sie einen Schleier geworfen, der ebenfalls über und über mit kleinen Goldmünzen verziert war, die bei jeder Bewegung klimperten.
    Lucy sah sie aus ihrem schiefen Gesicht bewundernd an.
    »Nicht schlecht, mein Raqs-Sharqi-Kostüm, nicht wahr?«, sonnte sich Coralia in der Aufmerksamkeit. »Ich habe es gerade erst fertig genäht. Jede Münze ist von Hand durchbohrt und original von 1920.«
    Sie streckte die Arme aus und machte ein paar elegante Tanzschritte. Dann sah sie den Würfelturm.
    »Was veranstaltet ihr denn hier?«
    »Wir losen die Mannschaften für das Ludere raptim aus«, erklärte Lucy. »Du kannst noch mitmachen. Wenn du nicht würfeln willst, kommst du zu den niedrigen Zahlen, die hatten Ottmar und Rufus.«
    »Oh!«, lächelte Coralia Rufus an. »Danke, aber ich werde natürlich noch mitwürfeln. So eine hübsche Turricula sieht man ja nicht oft. Ist sie ägyptisch?« Sie warf Filine einen abschätzigen Blick zu. Dann ergriff sie den blauen Würfel und ließ ihn lässig aus dem Handgelenk in den Turm fallen. Er sprang die Stufen herab und blieb liegen.
    »Na, da bin ich ja mal gespannt. Machst du bitte auf!«, forderte sie Lucy auf.
    Gehorsam zog Lucy die bewegliche Vorderseite in die Höhe. »Du hast eine Sechs«, verkündete sie.
    Coralia verzog spöttisch den Mund. »Und was heißt das für eure kleine Auslosung?«
    »Dass ich mit Ottmar und Rufus spiele und du mit Filine und No«, sagte Lucy.
    Coralia fing an zu lachen. »Rufus, wie schade für dich, jetzt werde ich nicht mit dir, sondern gegen dich spielen. Du wirst es schwer haben, mein lieber Frischling!«
    Immer noch lachend ging sie zu den Umkleideräumen.
    Rufus sah ihr nach. Er konnte sich wirklich Leichteres vorstellen, als gegen Coralia zu spielen. Sie war in allem sehr gut, auch wenn sie nicht immer fair spielte, wie er in seiner ersten Flut erfahren hatte.
    Dann fiel sein Blick auf Filine. Seine Freundin starrte Coralia finster nach. Die beiden mochten sich nicht besonders. Schon gar nicht, seit Coralia versucht hatte, die drei Frischlinge, wie die neuen Lehrlinge an der Akademie genannt wurden, in ihrer gemeinsamen Flut zu betrügen.
    Dröhnende Schritte unterbrachen Rufus’ Gedanken.
    »Aha, hier werden Würfelspiele mit einer Turricula gespielt. Wo habt ihr denn den Würfelturm her? Das sind äußerst seltene Artefakte. Offiziell gibt es auf der ganzen Erde nur zwei erhaltene Exemplare.«
    Meister Hardy, der wie immer nur einen Lendenschurz trug, was seiner sowieso schon imposanten Gestalt von fast zwei Metern ein noch wilderes Aussehen verlieh, betrat die Arena.
    »Filine hat ihn von Meister Corvin«, erklärte Ottmar.
    »Gut. Ich hoffe aber, ihr veranstaltet keine Glücksspiele mit finanziellem Einsatz!«
    »Nein, Meister Hardy«, versicherte Lucy.
    Meister Hardy nickte zufrieden. »Da wir heute ein römisches Spiel spielen und ihr die Mannschaften mit einem Glücksspiel bestimmt habt, eine Frage: An welchen sieben Tagen im Jahr waren im alten Rom Wettspiele erlaubt? Normalerweise waren sie nämlich verboten.«
    »Während der Saturnalien natürlich!«, rief es aus Richtung der Umkleideräume. Coralia hatte sich umgezogen und kam jetzt in einem hautengen, tiefschwarzen Sportbody zurück. »Also in der Woche, die wir heute
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