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Die Stunde des Mörders: Roman (German Edition)

Die Stunde des Mörders: Roman (German Edition)

Titel: Die Stunde des Mörders: Roman (German Edition)
Autoren: Stuart MacBride
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gewaltigen Abzugshaube, bereit, noch ein letztes Mal zu zeigen, was in ihr steckte. Rosies Haut war noch blasser als vorhin in der Gasse. Ihr Blut war dem Ruf der Schwerkraft gefolgt und langsam durch das Gewebe nach unten gesickert, um sich am Rücken und den Unterseiten der Arme und Beine zu sammeln. Dort, wo ihre Haut den Tisch berührte, hatte es ihre Porzellanblässe in ein sattes Dunkelviolett verwandelt. Arme alte Rosie. Mit ihrem Tod hatte sie es noch nicht einmal auf die Titelseite geschafft. Nur ein einspaltiger Artikel in der Morgenausgabe der Press and Journal – der Aufmacher war: » SECHS TOTE BEI BRANDANSCHLAG !«
    Eine merkwürdige Ausbuchtung der Haut an ihrem Brustkorb erweckte Logans Interesse. Als er sich gerade über sie beugte, um sich die Sache genauer anzusehen, wurde die Tür aufgestoßen, und der diensthabende Rechtsmediziner kam hereingerauscht.
    »Wenn ich Sie bei einem Schäferstündchen störe«, meinte der Neuankömmling grinsend, »kann ich auch gerne später wiederkommen.« Dr. Dave Fraser: übergewichtig, an die fünfundfünfzig, Glatze, Haare in den Ohren. »Ich weiß, es macht Sie an, wenn Ihnen eine die kalte Schulter zeigt.« Er grinste erneut, und Logan musste unwillkürlich zurücklächeln. »Apropos kalte Schulter: Ich muss Sie leider enttäuschen – Ihre Majestät die Eiskönigin kann sich bei unserem kleinen geselligen Beisammensein leider nicht die Ehre geben. Arzttermin – die vergangene Nacht ist ihr wohl nicht sonderlich gut bekommen.« Logan stieß einen Seufzer der Erleichterung aus. So, wie Isobel heute Morgen am Tatort drauf gewesen war, hatte er es nicht allzu eilig, sie wiederzusehen. Doc Fraser deutete auf die sechs Rollbahren an der Wand. »Wenn Sie wollen, können Sie gerne mal einen Blick riskieren, während ich alles vorbereite.«
    Wider besseres Wissen schlenderte Logan zu den aufgereihten Bahren hinüber. Aus der Nähe war der Geruch noch übler: verbranntes Fleisch und ausgelassenes Fett. Einer der Leichensäcke war sorgfältig zweimal zusammengefaltet und mit silberfarbenem Klebeband fixiert worden, um ihn an die Größe eines neun Monate alten Kindes anzupassen. Logan holte tief Luft und wählte einen der anderen Säcke aus. Einen Moment lang verharrte er reglos in dem antiseptischen Raum und fragte sich, ob das wirklich so eine gute Idee war, ehe er den Reißverschluss aufzog. Vom Gesicht war nicht allzu viel übrig: Nase und Augen fehlten, die Zähne waren gelblich-braune Zacken, die aus dem schwarz versengten Fleisch ragten, der Mund zu einem letzten, stummen Schrei aufgerissen. Logan warf einen Blick darauf, würgte und zog den Reißverschluss wieder zu. Schaudernd wankte er zum Sektionstisch zurück.
    »Gut, nicht wahr?«, fragte Dr. Fraser und lächelte ihn hinter seiner OP-Maske an. »Ich hab mir gleich einen von denen vorgenommen, als sie eingeliefert wurden. Außen knusprig, innen roh – erinnert mich an die Grillversuche meiner Frau.«
    Logan schloss die Augen und versuchte an etwas anderes zu denken. »Sollten die nicht im Kühlraum sein, anstatt hier draußen rumzustehen?«
    Dr. Fraser nickte. »Schon, aber die Winde ist kaputt, und ich mach das jedenfalls nicht, mit meinem kaputten Rücken. Wenn Brian kommt, kann er sie rüberschaffen.«
    Der erwähnte Brian – der rechtsmedizinische Assistent des Instituts – kreuzte um Punkt acht Uhr auf, ebenso wie die Staatsanwältin mit ihrer Assistentin, ein Polizeifotograf sowie der zweite Rechtsmediziner, der Dr. Fraser auf die Finger schauen und dafür sorgen sollte, dass er keine Fehler machte, die den Prozess platzen lassen könnten. Er war ein dürrer, leichenblasser Mann mit Augen wie ein kranker Fisch und einem dazu passenden Händedruck. Die Helferin der Staatsanwältin war die gleiche Frau, die sie auch schon in den frühen Morgenstunden zum Tatort begleitet hatte, eine frischgebackene stellvertretende Staatsanwältin, gerade mal zwei Jahre mit dem Jurastudium fertig und auf dem besten Weg, die Karriereleiter zu erklimmen. Sie erschien in voller OP-Montur, komplett mit Maske und Haube, und in ihren Augen blitzte eine Mischung aus Furcht und Erregung. Logan hatte den deutlichen Eindruck, dass dies ihre erste richtige Autopsie war.
    »Alles bereit?«, fragte Dr. Fraser, nachdem sie alle in die obligatorischen Schutzanzüge gestiegen waren, um die Leiche nicht zu kontaminieren.
    »Ähm … bevor wir anfangen«, meldete die Neue sich zu Wort und holte mit einem Seitenblick die Genehmigung
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