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Die Strasse des Horus

Die Strasse des Horus

Titel: Die Strasse des Horus
Autoren: Pauline Gedge
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ist so viel geschehen, dass wir uns allesamt verändert haben. Bisweilen vergesse ich, dass ich noch nicht so uralt wie Tetischeri und mindestens fünfundsechzig bin, und gehe davon aus, dass Ahmose ähnlich empfindet.
    Sie hatte für das Hemdkleid einen Gürtel aus dünnen Goldgliedern gewählt, dazu weiße, mit Jaspis besetzte Ledersandalen. Ihre Perücke war schwer, fünfzig Zöpfe fielen ihr fast bis auf die Hüfte und stießen sacht an die mit goldenen Armbändern geschmückten Arme. Um einen Oberarm schlang sich ein Band mit den Flügeln von Mut, der Geiergöttin, der Schutzgöttin der Königinnen, deren Raubtierschnabel nach hinten gerichtet war, um Aahmes-nofretari vor allen Angriffen zu beschützen. In Gold gefasste grüne Skarabäen zierten ihre Finger, und in ihren Ohrläppchen hingen blaue Skarabäen aus Lapislazuli.
    Ehe man ihr die Perücke aufsetzte, hatte Raa ihr behutsam ein schweres Pektoral auf die Brust gelegt, das ihr Ahmose am Tag zuvor geschenkt und das sie verwundert entgegengenommen hatte. »Tut mir Leid, dass kein Silber darin ist«, hatte er sich entschuldigt. »Ich habe das ganze Silber, das ich auftreiben konnte, für andere Zwecke gebraucht. Trotzdem ist es schön. Die Goldschmiede im Tempel haben lange darüber geschwitzt. Trage es als Königin, die du bist.«
    Sie war zu benommen, um nachzufragen, was er mit dem Silber gemacht hatte, denn das war ein wegen seiner Seltenheit hoch geschätztes Metall und knapp in Waset, doch als das Pektoral jetzt auf dem durchsichtigen Kleid auf ihrer Brust lag, fiel ihr die unausgesprochene Frage wieder ein.
    Ahmose hatte sie gebeten, kein Geschmeide auf dem Kopf zu tragen. Aber ich komme mir damit bei einer so feierlichen Angelegenheit schlecht gekleidet vor, dachte sie und legte den Kopf schief. Auf die Perücke gehört etwas. Er hat vor, mich zu krönen, oder? Bei der Erkenntnis durchzuckte sie Angst. Man kann durchaus zum Exerzierplatz laufen, die Soldaten unter Druck setzen und an seine Haushaltspflichten zurückkehren, sagte sie sich. Aber die Verkörperung einer Göttin zu sein, das ist etwas ganz anderes. »Raa, sieh nach, ob meine Mutter fertig ist, und überzeuge dich, dass Ahmose-onch seine Sandalen nicht wieder ausgezogen hat«, befahl sie. »Sag Uni, er soll dafür sorgen, dass sich Großmutter beeilt. Anchmahor hat die Sänften gewiss schon zum Vordereingang bringen lassen.« In der kleinen, darauf folgenden Stille holte Aahmes-nofretari tief und langsam Luft und fasste vorsichtig nach dem Pektoral. Dieser Tag ist auch der letzte meiner Jugend, sagte sie sich. Ich bin eine Prinzessin gewesen, bin zum zweiten Mal verheiratet, habe Kinder geboren, aber dabei bin ich stets ein junges Mädchen geblieben. Der Aufstand hat meiner Jugend eine tödliche Wunde versetzt, doch heute stirbt sie endgültig.
    Draußen waren die Diener zusammengelaufen, sie wollten ihre Herrinnen in ihrer ganzen ungewohnten Pracht sehen, und die mit Bändern und Blumengirlanden geschmückten Sänften warteten auf dem Rasen. Auch Anchmahor war sorgfältig geschminkt, seine großen Augen waren mit Kohl umrandet, sein Mund war hennarot. Auf dem Kopf trug er ein blauweiß gestreiftes Leinenkopftuch in den altehrwürdigen Farben Ägyptens, an seinem Gurt hing ein Schmuckdolch. Er trug weiße Lederhandschuhe.
    Als sie sich in den Kissen niederließ, tauchten Uni und Kares auf. Trotz ihrer zahlreichen morgendlichen Pflichten hatten beide das offizielle Haushofmeistergewand angelegt, schlichte, bauschige weiße Tuniken, die ihnen bis auf die Knöchel fielen und mit Gold gesäumt waren. Ihre Oberarme waren mit schlichten, dicken Goldreifen geschmückt, die ihre höhere Stellung in der Haushaltshierarchie verdeutlichten, und um die kurzen Perücken hatten sie sich blauweiße Bänder geschlungen.
    Tetischeri ging vom Kopf bis zu den winzigen braunen Füßen in Gold. Goldblätter glänzten auf ihrem gelben Hemdkleid, goldene Lotosblumen schaukelten in ihren Ohrläppchen, Gold schimmerte auf ihrer Perücke, und auf ihren geschminkten Wangen funkelte Goldstaub. Doch Aahmes-nofretari erschrak nicht beim Anblick ihrer Großmutter, sondern bei dem ihrer Mutter, und sie tat ihr Leid. Aahotep trug keinerlei Schmuck. Ihre Perücke war glatt und schulterlang. Arme und Hals waren bloß, und an den Füßen hatte sie ein Paar lange getragene und ziemlich abgewetzte Ledersandalen. Sie näherte sich langsam, reckte das Kinn und versuchte erst gar nicht, die hässlichen braunen Flecken auf dem
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