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Die Straße des Bösen

Die Straße des Bösen

Titel: Die Straße des Bösen
Autoren: Horst Hoffmann
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stand er vor Mythor. Das schwarze Haar schimmerte in der Wintersonne. Gapolos Blick war zum Himmel erhoben. Das Schwert blinkte. Der Brustharnisch hob und senkte sich unter schweren Atemzügen. Gapolos Hand zitterte nicht. Er stand völlig still, und ein Ausdruck war in seinem Gesicht, dass Mythor begann, Ehrfurcht vor diesem Mann zu empfinden.
    Gapolo ze Chianez wandte sich ihm ein letztes Mal zu. Er sagte nichts. Nur die Verheißung überweltlichen Glücks sprach aus seinem Blick. Keine Trauer war darin, kein Schmerz. »Ich werde auf dich warten, Mythor«, sagte der Salamiter mit ruhiger Stimme. »Auf ein Wiedersehen dort, wo der Platz für Helden ist.«
    Dann legte er den Harnisch ab und brachte die Spitze seiner Klinge an seine Brust. Mit beiden Händen umklammerte er den Griff des Lilienschwerts.
    Mythor wandte sich ab, um seine Beherrschung ringend. Er verharrte, bis er einen kurzen, erstickten Laut hinter sich hörte. Dann hielt ihn nichts mehr. Nur fort von hier, nur diesen einen Gedanken hatte er. Pandor kam ihm entgegen. Mythor sprang auf den Rücken des Einhorns und sprengte davon, von Trauer und Verzweiflung geschüttelt.
    Ein Zug Totenweiber, die den Hügel heraufkamen, wich entsetzt schreiend vor Pandors weit ausschlagenden Hufen zurück. Wie ein Sturmwind ritt Mythor den Weg hinab, den er mit Gapolo gekommen war.
    Vor den Lehmbauten erwarteten ihn die Wächter, Salamiter in blinkenden Rüstungen mit der Lilie auf der Brust und auf schnellen Pferden. Klingen blitzten in der Sonne. Der Weg durch die Gassen war versperrt.
    »Über den Hügel, Pandor!« rief Mythor.
    In scharfem Galopp ging es ein Stück des Weges zurück, dann trieb Mythor das Einhorn nach Westen. Die Salamiter stimmten wildes Kampfgeschrei an und hefteten sich an seine Fersen. Pandors schnelle Hufe rissen große Erd- und Grasballen aus den gepflegten Anlagen. Es ging immer weiter nach Westen, den Hügel hinab, durch schmale Gassen und über Hindernisse. Von überall her kamen Schreie des Entsetzens.
    Bewaffnete stellten sich Mythor in den Weg, Männer in weißen Kutten und mit goldenen Ketten über der Brust.
    Mythor ließ Alton kreisen und wehklagen, und die Wächter wichen schreiend zur Seite.
    Pfeile flogen heran und verfehlten Mythor nur knapp. Weit nach vorne hängend, die linke Hand in Pandors Mähne gekrallt, erreichte der Sohn des Kometen endlich die letzten Lehmhäuser und sprengte ins Freie. Von rechts kam Hark heran und fegte neben dem Einhorn her. Horus stieß auf die Verfolger herab, doch es waren zu viele, als dass der Schneefalke sie aufhalten konnte.
    Ihre Pferde waren schnell, doch Pandor wuchs über sich hinaus. Wie der Wind trug er Mythor davon, und der Lilienhügel schrumpfte schnell hinter ihm. Der Abstand zu den Verfolgern vergrößerte sich, doch sie hatten Mythors Spur, und sie würden dem Frevler folgen.
    Die Signale wurden stärker. Nach Südwesten! Nach Leone!
    Mythor gönnte sich und Pandor keine Rast, auch nicht, als die Salamiter nicht mehr zu sehen waren und nur eine Staubwolke von den Verfolgern kündete.
    *
    Zwei Tage und zwei Nächte lang war Mythor ständig auf der Flucht. Hunger und Durst quälten ihn, und die Schlaflosigkeit ermattete seine Sinne.
    Er hatte keine Vorräte bei sich, und Hark war längst schon irgendwo im Gebüsch verschwunden. Der Bitterwolf konnte das mörderische Tempo nicht mithalten und würde sich seinen eigenen Weg suchen. Horus hatte zweimal kleine Tiere geschlagen und sie Mythor gebracht. Doch kaum war dieser abgestiegen, um sich und Pandor wenigstens eine Stunde Rast zu gönnen, da tauchten in der Ferne auch schon die Salamiter auf.
    Als die Mauern von Leone am frühen Morgen des dritten Tages endlich am Horizont auftauchten, glaubte Mythor einige Herzschläge lang, der in seinen Eingeweiden wütende Hunger und der noch schlimmere Durst gaukelten ihm Trugbilder vor.
    Aber es war Leone! Der Anblick der Stadtmauern verlieh dem Gehetzten noch einmal neuen Auftrieb, und das war auch bitter nötig, denn schon waren wieder die Verfolger in der Ferne zu sehen. Und sie kamen bedrohlich schnell näher.
    Auch sie sahen nun die Stadt, und sie wussten wie Mythor, dass hier die Entscheidung fallen musste. Mythor kannte die Leoniter längst nicht gut genug, um zu wissen, ob sie ihm Aufnahme gewähren und die Salamiter fortschicken oder ob sie ihn ausliefern würden. Die Hügelwächter jedoch schienen entschlossen zu sein, ihn noch vor den Stadtmauern zu stellen.
    »Lauf, Pandor! Lauf um
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