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Die Strasse der Oelsardinen

Titel: Die Strasse der Oelsardinen
Autoren: John Steinbeck
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Glasplättchen, in dünne Scheiben geschnitten. Zu Studienzwecken finden sich Haifische hier, denen Doc an Stelle des Blutes gelben und blauen Farbstoff in die Venen und die Arterien gespritzt hat, so daß die Studenten mit einem Skalpell den Blutkreislauf genau zu verfolgen vermögen; ein Gleiches bei Katzen und Fröschen. Beim Western Biological kannst du jegliches Lebewesen bestellen; früher oder später bekommst du es.
Das Haus ist niedrig, zu ebener Erde nach der Straße hin befindet sich der Lagerraum mit Regalen, die bis zur Decke reichen und mit Gläsern und Flaschen voll präparierter Tiere beladen sind. Daneben ein Ausguß und Instrumente für Injektionen und Einbalsamierungen. Durch den Hinterhof gelangt man zu einem Schuppen, der auf Pfählen über dem Meere ruht. Hier sind die Bassins für das große Seegetier, Haie und Rochen und Tintenfische, jede Gattung in ihrem eigenen zementierten Behälter. Von hier führt eine Treppe zum Arbeitszimmer, in dem ein Schreibtisch mit einem Stapel unerledigter Post, Registrierschränke und ein stets offener Kassenschrank stehen. Einmal wurde er aus Versehen geschlossen. Niemand kannte das Geheimnis der Buchstabenkombination, und drinnen lag eine geöffnete Büchse Ölsardinen und Roquefortkäse! Furchtbare Gerüche entwickelten sich in dem Safe, bis endlich der Schrankfabrikant das Kennwort sandte. Damals entdeckte Doc ein Verfahren, mittels dessen sich jedermann, falls er Bedarf danach hätte, an einer Bank rächen könnte. Er brauche nur, riet Doc, einen Safe zu mieten, einen ungeräucherten Salm darin zu deponieren und dann für sechs Monate zu verreisen. Was seinen eigenen Tresor anging, machte er es sich zum Gesetz, nie wieder Nahrungsmittel darin zu verwahren. Er legte diese von nun an in seine Registrierschränke.
Hinter dem Arbeitszimmer ist ein Raum, in dessen Aquarien sich zahllose Fischarten tummeln. Da stehen ferner Werkbänke, Maschinen, Gestelle mit Medikamenten, Reagenzgläser, Retorten, Glasschalen sowie das Mikroskop und Chemikalien. Düfte von Formalin und Essigsäure, Äther, Chloroform, Chlor, getrockneten Seesternen, Menthol, Riechsalz, Meerwasser, Packpapier, Kleister, Schmieröl, Bananenöl, Gummilösung, Stiefelwichse, nassen Wollsocken, Klapperschlangen, Mäuse-, Katzen- und Rattendreck entsteigen diesem Bereich. Durch Hinterfenster und Hintertür dringen bei Ebbe die Gerüche von Tang und faulen Muscheln, bei Flut Salzgeruch, Schaum und Gischt.
Links an das Arbeitszimmer schließt sich die Bibliothek an. Bis zur Decke reichen die Bücherbretter mit Bänden jeglicher Größe - Enzyklopädien, Wörterbücher, Gedichte, Dramen, gebunden und ungebunden, und Schachteln voller Broschüren und Sonderdrucke; an einer Seitenwand steht ein Plattenspieler, daneben die Platten zu Hunderten sorgfältig aufgereiht. Unterm Fenster ist ein roter Diwan, und an den Wänden und den Rahmen der Büchergestelle sind mit Stecknadeln Reproduktionen von Daumier, Graham, Tizian, Leonardo, Picasso, Dali, George Grosz in Augenhöhe befestigt, so daß man sie, so man Lust hat, in aller Bequemlichkeit ansehen kann. Auch Stühle und Bänke gibt es in dem engen Gemach und dazu noch ein Bett. Es waren hier schon einmal vierzig Personen beisammen gewesen.
Hinter diesem Musik- oder Lesezimmer, oder wie man es sonst nennen mag, ist die Küche mit Gasofen, Boiler und Ausguß. Und während im Zimmer nebenan Lebensmittel in der Registratur aufbewahrt werden, befinden sich hier Teller, Gläser, Tassen und auch Schmalztöpfe und Gemüse hinter Glastüren in Bücherschränken. Doch ist dies keine Schrulle, sondern ein Zufall. Außerdem hängen von der Küchendecke Speckseiten, Salamiwürste und schwarzgeräucherte Seegurken. Nebenan befinden sich die Toilette und die Dusche. Die Toilette war fünf Jahre undicht, bis sich ein kluger Gast entschloß, das Leck mit einem Kaugummi zu verkleben.
Doc war der alleinige Eigentümer, Direktor, Praktikant und Aufwärter des Western Biological. Er war klein von Gestalt, aber das täuschte! Er war verdammt stark und sehnig, und wenn ihn die Wut packte, konnte die Sache gefährlich werden. Er trug einen Bart. Sein Gesicht war eine Mischung aus Christus- und Satyrkopf, und das entsprach seinem innersten Wesen. Er hatte, so hieß es, schon manchem Mädchen aus einer Verlegenheit heraus- und in eine zweite hineingeholfen. Er hatte Hände wie ein Gehirnchirurg, einen kühlen Geist und ein warmes Herz. Wenn ihm ein Hund begegnete, griff er an seinen
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