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Die Stimme des Wirbelwinds

Die Stimme des Wirbelwinds

Titel: Die Stimme des Wirbelwinds
Autoren: Walter Jon Williams
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ist er wieder im Geschäft, und zwar bei Hellere Sonnen.«
    Nein, dachte Steward. Der Colonel würde nicht … Er merkte, wie sich seine Fäuste an den Seiten ballten und sich die Nägel in die Handflächen gruben.
    Der Colonel hatte. Er hatte die Eisfalken ausgebildet und sie dann verkauft. Der … andere … würde in so einem Punkt nicht lügen.
    Stewards Augen brannten. Er spürte einen Schmerz im Hals. Der Verrat hatte einen Namen.
    »Um an den Colonel ranzukommen, werde ich aber ein paar Dinge tun müssen … bei denen mir nicht allzu wohl ist … und über die ich bei einer Aufzeichnung nichts sagen will. Die Sache könnte mich das Leben kosten, aber ich glaub's nicht. Es sieht so aus, als ob Curzon alles ziemlich gut geplant hätte.
    Aber denk daran, was ich gesagt habe. Was ich tun werde, ist wichtig für Curzon, und das heißt, daß ich nicht darauf vertrauen kann, was er mir erzählt. Und es könnte Leute noch weiter oben auf der Leiter geben, die möglicherweise ihn anlügen.« Eine Pause entstand. Steward hörte, wie in der Nähe des Mikrophons ein Glas auf den Tisch gestellt wurde. Das Gerät wurde allmählich warm; es roch schwach nach heißem Plastik.
    »Was ich zu sagen versuche, ist, daß ich de Prey haben will, und Curzon will etwas anderes, und wir beide wissen es. Wenn ich de Prey kriege, hat Curzon mich folglich nicht mehr an der Angel, und das könnte bedeuten, daß ich für ihn nicht mehr von Nutzen bin. Er könnte beschließen, mich kaltzumachen. Wenn ich am Ende also tot bin, dann war's wahrscheinlich meine eigene Seite, die's getan hat.«
    Das Glas neben dem Mikrophon rutschte über Metall, als ob er es bei dem Versuch, es hochzuheben, nur weiter wegstieße. Dann herrschte für einen Augenblick Stille, gerade lange genug, daß er das Glas behutsamer in die Hand nehmen und einen langen Schluck trinken konnte. Als die Stimme wiederkam, war sie müde, und die Pausen zwischen jedem Wort waren lang.
    »Ich weiß nicht, warum ich dir das schicke. Außer um zu sagen, daß es mir leid tut. Um die verlorenen Jahre. Es ist nur … für die Akten, schätze ich.« Wieder Stille. Noch ein Schluck. »Eine letzte Sache.« Drei Schläge von Stewards rasendem Herz. »Tut mir leid, daß ich so lange gebraucht habe.« Eine Stille, ein Klicken, in dem ein fernes, monatealtes Ende widerhallte. Dann nichts als ein langes, endloses Zischen.
     
    Er ließ das Video an diesem Nachmittag noch mehrmals ablaufen. Die übrige Zeit lag er auf dem Bett und sah zu, wie das von Spiegelglasfenstern zurückgeworfene Sonnenlicht langsam seine Finger über das strenge Kreideweiß der Decke zog.
    Das Telefon klingelte etliche Male. Er ließ es klingeln.
    Am späten Nachmittag zog er seinen Trainingsanzug an und ging in den Therapieraum hinunter. Bevor er ging, klebte er die Patrone auf die Rückseite einer Schiebetür seines Badezimmerschränkchens, riß dann den Umschlag zweimal durch und warf ihn in einen Abfalleimer in der Eingangshalle des Krankenhauses.
    Die Therapeuten waren schon nach Hause gegangen. Der Raum roch nach Chlor vom Whirlpool und ließ das Klappern seiner Sandalen widerhallen. Steward machte seine Aufwärm- und Streckübungen, ging dann zur Tretmühle und schaltete sie ein. Er drehte die Geschwindigkeit hoch, bis er sprintete. Das Geräusch seines Atems war lauter als das Sirren der Maschine und das Dröhnen seiner Schritte. Auf nebelhafte Weise kam es ihm so vor, als ob er auf etwas zurannte. Sein Atem begann ihm in den Lungen weh zu tun. Er stolperte gegen das kühle Chromgeländer, fing sich wieder und rannte weiter, bis der automatische Zähler die Maschine abschaltete. Seine Hand schwebte einen Moment lang über dem Schalter, dann trat er auf den Fußboden.
    Er blieb für einen Moment reglos stehen, schnappte nach Luft und wartete darauf, daß der Raum ihm sagte, was er tun sollte. Er ging zu den Matten und begann mit Kampfübungen, als erstes Kata, um einen Rhythmus zu finden, dann kurze, gewalttätige Abläufe; er stellte sich vor, hinter ihm wären Hände, die ihn berühren, packen und festhalten wollten. Er wirbelte herum, parierte, trieb Ellbogen in Knochen, Finger in Augenhöhlen. Die Abläufe wurden länger und heftiger. Er fühlte einen Hochofen der Wut, der irgendwo in seinem Bauch brannte und jeden Schlag, jeden Stoßtritt antrieb. Er wirbelte herum, sein Bein stellte sich schräg und peitschte aus. Er taumelte einen Moment lang am Rande des Gleichgewichts, erholte sich wieder … seine Sicht
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