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Die Stimme des Wirbelwinds

Die Stimme des Wirbelwinds

Titel: Die Stimme des Wirbelwinds
Autoren: Walter Jon Williams
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trübte sich, der dunkle, leere Raum verblaßte. Luft strömte wie Flüssigkeit durch seinen Hals. Die Abläufe trieben ihn jetzt an, hielten ihn aufrecht, bewegten ihn wie eine zielbewußte Flut. Er trat wieder zu, sah ein Gesicht oder so etwas ähnliches wie ein Gesicht am fernen Rand seines dunkler werdenden Blickfelds, buschige Brauen, konzentrierte Augen, ein Sternenhintergrund … Er spürte, daß er das Gesicht mit den Fingerspitzen streifen, es mit dem Drehmoment seines Spanns zerschmettern konnte, aber er verlor das Gesicht, oder was immer es war, und stürzte. Die Matte schlug hart gegen seine Schulter und die Seite seines Kopfes.
    Galaxien schufen sich selbst in gewaltigen Lichtblüten im kleinen Universum hinter seinen Augen. Er rollte sich auf den Rücken und rang nach Luft. Seine Augen blinzelten gegen den Schweiß an, der seine Sicht überschwemmte. Er streckte eine Hand aus, um das zu berühren, was dort gewesen war, aber es war verschwunden. Bald, dachte er.
    Sein Sehvermögen kehrte allmählich zurück. Der Raum sickerte wie eine langsam anbrechende Morgendämmerung in ihn ein. Er setzte sich hin, stand auf und hüpfte auf den Fußballen, während er sich abkühlte, bis sein Atem ihm nicht mehr schrill in der Kehle pfiff.
    Er ging auf sein Zimmer, zog den durchgeschwitzten Trainingsanzug aus und duschte. Als der warme Nebel um ihn herum aufstieg, fühlte er das Kribbeln der Vorahnung. Er würde hinter der Tür des Medizinschränkchens nachsehen, wenn er sich abgetrocknet hatte, nicht vorher. Als ob es ihm egal wäre.
    Als er nachschaute, war die Patrone noch da. Befriedigung tanzte von seinen Fingerspitzen, als er das Klebeband abriß. Er zog sich eine bequeme Hose und ein T-Shirt an und steckte die Patrone in seine Gesäßtasche. Als er aus dem Zimmer trat und die Tür schloß, hörte er, wie das Telefon zu klingeln begann.
    Draußen suchte er sich eine spiegelnde Schlucht aus und ging zu Fuß auf den düsteren Schatten der Berge dahinter zu. Es war früher Abend. Wagen glitten undeutlich sichtbar durch das Straßennetz. Menschen strömten aus Wohnungen und Restaurants und liefen auf den Bürgersteigen entlang. Die Grenzfläche zwischen den Wohnökos war lebendig, voller Menschen, die nach Vergnügung suchten, nach etwas Neuem, und einander vorwärtsschoben. In einem Fast Food-Laden kaufte Steward Bier in einer Plastikflasche und Faßkrabben in roter Chilisauce. Er aß, während er weiterging.
    Die Gebäude wurden kleiner. Dies war jetzt der alte Teil der Stadt, gewundene Straßen, unterbrochen von zerklüfteten Flächen, die man in ihrem Naturzustand belassen hatte, wie Parks. Die Menschen hier waren anders, lebhafter, und hatten wahrscheinlich nicht soviel Geld. Sie spielten Musikinstrumente und ließen Flaschen kreisen. Steward ging in ein Spirituosengeschäft und kaufte eine Flasche alten Genever in einer isolierenden Schaumstoffhülle, die ihn tagelang kalt halten würde. Er trank im Gehen, fachte damit das Feuer in seinem Innern von neuem an und spürte, wie es sich warm bis in seine Zehen und Fingerspitzen ausbreitete. Die Berge waren jetzt vollständig sichtbar, drei Gipfel, die ins Grau des Dämmerlichts gehüllt waren. Er ging weiter.
    Auf der dunklen Straße zischten Autos vorbei; Musikfetzen wehten hinter ihnen her. Seine Beinmuskeln trieben ihn stetig bergan. Der Mond ging auf, eine schmale Sichel, die durch die Fixsterne der Satelliten, Energiestationen und orbitalen Wohnanlagen schnitt und den Metallzylinder beschien, wo Natalie allein mit ihrem Nachkriegskind gelebt hatte. Eine kühle Brise streifte Stewards Gesicht und seine Arme. Die Luft roch nach Pinien.
    Eine Stunde später war er in den Ausläufern der Berge, und er ging immer noch weiter. Jedesmal, wenn er spürte, daß sein Feuer herunterzubrennen drohte, trank er einen Schluck Genever. Eine Dunkelheit umgab ihn, die greifbar und freundlich wirkte, wie das Innere einer zum Zelt gewölbten Decke. Zwischen den Pinien sah er hin und wieder Lichter schimmern, weit entfernte Häuser, die wie Kletten am ansteigenden Hang klebten. Er ging auf den Mond zu.
    Als er zu einer Stelle kam, wo er kein Licht mehr über sich sehen konnte, blieb er stehen. Er nahm ein paar langsame Schlucke Genever und drehte sich um, blickte auf das juwelenbesetzte Spinnennetz der Stadt hinunter, auf die blitzenden roten Lichter an den Oberkanten der Glastürme. Coleopter-Turbinen seufzten irgendwo in der Ferne. Er setzte sich, schlug die Beine
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