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Die Stimme des Feuers

Titel: Die Stimme des Feuers
Autoren: Catherine Coulter
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dort saßen und unter vielem Lachen eine Partie austrugen. Plötzlich kam er sich hier wie ein Eindringling vor.
    Doch die Stühle zogen ihn an, und er nahm auf einem Platz, den Bierhumpen auf einem Knie. Bald kam der Priester, ein kahler alter Mann mit wäßrigen Augen, der sich den Talar lose um den fetten Bauch geschnürt hatte.
    Quälend langsam verstrich die Zeit. Graelam entließ Guy und blieb allein in dem großen Saal zurück, bis er Maurice die Treppe herunterkommen sah. Er ging wie ein gebrochener alter Mann. Sein Gesicht war eingefallen, die Augen geschwollen.
    »Sie liegt im Sterben«, sagte Maurice mit seltsam ruhiger Stimme. »Ich wünschte, Ihr, Mylord, hättet mir neulich nicht das Leben gerettet. Wenn ich erschlagen worden wäre, hätte Gott vielleicht Kassia verschont.«
    Graelam umklammerte Maurices Hand. »Das dürft Ihr nicht sagen, Maurice. Der Mensch hat sich nicht gegen Gottes Willen aufzulehnen.«
    »Warum nicht?« fragte Maurice heiser. »Sie ist so gut und freundlich und rein. Es ist ungerecht, sie um ihr Leben zu betrügen! Wißt Ihr was? Ich wollte, daß Ihr, der starke Mann, der keine Furcht kennt und mir das Leben gerettet hat, sie zur Frau nehmt! Ihr sollt sie und Belleterre schützen und mir Enkel schenken! Gott sei verflucht! Er tut Übles, wenn er mir Kassia nimmt!«
    Hilflos saß Graelam dabei, als Maurice das Gesicht in den Händen verbarg und leise schluchzte. Graelam hatte im Heiligen Land unvorstellbare Schrecken erlebt und wollte sich durch den Tod eines Mädchens nicht rühren lassen. Bei allen Heiligen im Himmel, er kannte sie ja nicht einmal!
    »Maurice«, sagte er eindringlich, »was geschehen soll, kann niemand ändern. Belleterre gehört Euch. Wenn Ihr wollt, daß es in Eurem Besitz bleiben soll, müßt Ihr wieder heiraten und eigene Kinder zeugen. Ihr dürft nicht aufgeben!«
    Maurice lachte bitter auf. »Das kann ich nicht«, sagte er schließlich leise. »Ich habe mir vor zehn Jahren eine Krankheit zugezogen, und seitdem ist mein Samen unfruchtbar.«
    Graelam schloß die Augen und lehnte sich zurück. Nach einer Weile spürte er die Hand des Älteren auf seinem Arm und schlug die Augen wieder auf. Maurice sah ihn mit fieberhafter Inbrunst an.
    »Hört mich an, Mylord«, sagte Maurice. »Ich stehe in Eurer Schuld und will sie Euch zurückzahlen. Belleterre liegt nahe der Küste. Daher habt Ihr es von hier nicht weit zu Euren Ländereien in Cornwall. Selbst wenn das Blut Kassias nicht in den Nachkommen Belleterres fließen sollte, so doch Eures. Ihr seid von edlem Geblüt, und ich mache Euch zu meinem Sohn und Erben.«
    »Das ist doch nicht möglich, Maurice«, sagte Graelam. »Euer Lehnsherr würde mir als einem Engländer nie Euren Besitz überlassen. Schließt Frieden mit Euch selbst und vielleicht auch mit Eurem Neffen! Ihr habt keine andere Wahl.«
    Maurices Augen leuchteten vor Entschlossenheit. »Nein, Mylord, hört auf mich! Wenn Ihr Kassia heute abend heiratet, seid Ihr als ihr Gatte nach meinem Tode Belleterres rechtmäßiger Herr.«
    Entsetzt machte sich Graelam frei. »Nein! Laßt sie in Frieden!«
    »Ihr würdet Euch nicht einmal mit einer Frau belasten, die Ihr nicht kennt. Ihr übernehmt nur die Verantwortung für Belleterre. Was macht es Euch da aus, wenn Kassia nach der Trauung stirbt? Was könnte es Euch ausmachen?«
    Graelam atmete keuchend aus. »Ich heirate das Kind nicht! Ich mußte schon meine erste Frau beerdigen und werde nicht eine zweite Frau nehmen, um sie gleich wieder beerdigen zu müssen. Es wäre Wahnsinn, Maurice, seht es doch ein! Nur Euer Kummer gibt Euch diesen Gedanken ein!«
    »Hört mich an, Mylord! Wenn Kassia unverheiratet stirbt, ist auch mein Todesurteil besiegelt. Geoffrey wartet bestimmt nicht ab, bis ich an Altersschwäche sterbe. Er wird sich nehmen, was er als seinen Besitz ansieht. Aber wenn Ihr Kassias Ehemann seid ...«
    »Ihr Witwer!«
    »Nun gut, ihr Witwer. Aber dann ist Geoffrey machtlos gegenüber einem starken englischen Edelmann! Meine Tochter kann ich nicht retten, aber so rette ich Belleterre! Heiratet sie, Graelam! Danach geht Ihr dann zum Herzog der Bretagne und schwört ihm den Treueeid. Das ist alles, worum ich Euch bitte. Ihr könnt in Ehren nach England heimkehren, aber diese reichen Ländereien fallen dann Euren Söhnen zu!«
    Graelam sprang auf. Er rang um Fassung. »Ihr kennt mich doch gar nicht!« sagte er dicht vor Maurice stehend. »Bis vor einer knappen Woche war ich ein Fremder für Euch! Wie
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