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Die Stimme des Feuers

Titel: Die Stimme des Feuers
Autoren: Catherine Coulter
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ansehnliche Festung war.
    Maurice stieß einen Jubelschrei aus, drückte seinem Zelter die Hacken in die Flanken und ritt wie ein wilder Sarazene den steilen Weg nach Belleterre hinauf. Seine Männer folgten ihm jubelnd und winkend.
    »Wenn wir innerhalb der Mauern sind«, sagte Graelam zu Guy, »möchte ich, daß du dir die Befestigungen ansiehst. Ihr wißt, daß Wolffeton dringend ausgebessert werden muß. Vielleicht kannst du hier etwas lernen. Was mich angeht, so fürchte ich, daß ich viel Wein trinken und Maurices kostbare Tochter anlächeln muß, bis ich die Maulsperre bekomme.«
    »Das Mädchen Glenna hat mir erzählt, daß Kassia de Lorris ein sehr nettes und schönes Mädchen ist.«
    Graelam brummte nur.
    Als er unter dem eisernen Fallgitter in den Burghof einritt, betrachtete er voll Anerkennung die Hebevorrichtung und die dicken Mauern. Der Burghof selbst war überraschend sauber und ordentlich. Dann hörte er Maurice aus Leibeskräften »Kassia!« schreien.
    Irgend etwas war hier nicht in Ordnung. Die vielen Menschen auf dem Burghof verhielten sich merkwürdig still, starrten Maurice stumm an oder tuschelten hinter vorgehaltener Hand. Sie sahen aus wie eine Herde Schafe, die ihren Schäfer verloren hat. Graelam stieg von Dämon ab und schaute zu dem hohen Burgfried hinauf. Eine breite gewundene Treppe aus dicken Eichenbohlen führte zum großen Saal hinauf. Plötzlich hörte er einen angstvollen Ruf. »Kassia!«
    Graelam sprang die Stufen empor und kam in einen riesigen Saal mit hoher, gewölbter Decke. Zu beiden Seiten eines höhlenartigen Kamins hingen erlesene Teppiche. Maurice trat gerade zu einer alten Frau und rüttelte sie an den Schultern.
    »Mylord«, sagte Graelam, »was ist los?«
    Maurice gab einen klagenden Laut von sich und flüsterte: »Es ist Kassia. Man hat mir gesagt, sie habe Fieber und liege im Sterben.«
    Dann rannte er wie ein Wahnsinniger auf die innere Treppe zu. Graelam folgte ihm auf den Fersen.
    Am oberen Ende der Treppe riß Maurice eine Zimmertür auf. Drinnen herrschte süßlicher, betäubender Weihrauchduft. Vier Frauen standen in tödlichem Schweigen um ein erhöhtes Bett. Neben dem Bett glühten zwei Kohlenpfannen. Die Hitze war zum Ersticken.
    Maurice beugte sich über die Gestalt im Bett. Er sprach mit leiser, kratzender Stimme, die Graelam ans Herz griff. »Mein liebes Kind, nein ... nein«, sagte er immer wieder. »Du darfst mich nicht verlassen. Nein!«
    Graelam trat hinzu und sah auf Kassia de Lorris hinab. Mitleid schnürte ihm die Kehle zu. Das arme Wesen sah mehr tot als lebendig aus. Man hatte ihr das Haar kurz geschnitten, und ihr Gesicht war gespenstisch grau. Graelam hörte ihr qualvolles Atmen. Plötzlich riß Maurice die Bettdecke weg, und entsetzt starrte Graelam auf mehrere Blutegel, die an den erschlafften Brüsten saugten.
    »Weg damit!« brüllte Maurice. Er griff nach den vollgesaugten Egeln, riß sie vom Körper seiner Tochter und schleuderte sie durchs Zimmer. »Du bringst sie ja um, du dummes altes Weib!« rief er Etta zu. »Um Gottes willen, du bringst sie um!«
    Das Mädchen kann ebenso gut fünfzehn wie hundert Jahre alt sein, dachte Graelam. Selbst auf den Augenlidern stachen die blauen Adern deutlich hervor. Armes Kind, dachte er, und sah sie voll Mitleid aus schmalen Augen an. Wie gern hätte er etwas unternommen! Aber hier konnte er nichts sagen, nichts tun. Langsam wandte er sich ab und ging aus dem Zimmer.
    Draußen unterhielt sich Guy leise mit einer Bedienerin. Als er Graelam erblickte, kam er rasch zu ihm und sagte mit gesenkter Stimme: »Das Mädchen liegt im Sterben, Mylord. Vor vier Tagen warf sie das Fieber zu Boden. Man erwartet nicht mehr, daß sie die Nacht noch überlebt.«
    Graelam nickte. Es hatte ihn schon überrascht, daß sie überhaupt noch am Leben war.
    »Die Bedienerin meint, der Priester müsse geholt werden.«
    »Das muß Maurice entscheiden«, sagte Graelam und ordnete im nächsten Augenblick an: »Laß den Priester herbringen!«
    Dann nahm er mit Guy stillschweigend das Abendessen ein, bedient von verweinten Mädchen. Graelam fragte sich, wo Maurices Männer alle waren.
    »Das ist eine schöne Burg«, sagte Guy. »Lord Maurice tut mir schrecklich leid.«
    »Ja«, sagte Graelam. Sein Blick fiel auf zwei schöngeschnitzte hochlehnige Stühle, die sich in der Nähe des Kaminfeuers gegenüberstanden. Zwischen ihnen stand ein Schachbrett mit den aufgestellten Elfenbeinfiguren. Er malte sich aus, wie Maurice und Kassia
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