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Die Stimme des Feuers

Titel: Die Stimme des Feuers
Autoren: Catherine Coulter
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könnt Ihr Euren Besitz einem Manne anvertrauen, der nach allem, was Ihr von ihm wißt, der größte Schurke der Christenheit sein könnte?«
    »Lieber vertraue ich meinen Besitz einem unbekannten Schurken an als einem Schurken, den ich kenne. Seid Ihr denn ein Schurke, Graelam?«
    Graelam knirschte mit den Zähnen. »Laßt es sein, Maurice! Wenn Ihr Euch vor Eurem Neffen fürchtet, so werde ich ihn töten, bevor ich der Bretagne den Rücken kehre. Macht es Euch dieser Gedanke leichter?«
    »Nein«, sagte Maurice leise. »Belleterre muß einen Herrn haben, der ein starker, abgehärteter und furchtloser Krieger ist. Ihr müßt der zukünftige Herr von Belleterre sein! Wenn Ihr Kassia nicht heiratet, Mylord, verliere ich alles, was mir auf dieser elenden Welt lieb und teuer ist. Eure Ehre bleibt doch unangetastet. Es bringt Euch keine Schande.«
    Es waren nicht Maurices flammende Worte, die Graelams Entschluß herbeiführten. Es waren die Tränen, die Maurice über die Wangen herabliefen, ohne daß er sich ihrer schämte.
    »Dann wollen wir es hinter uns bringen«, sagte Graelam.
    Graelam hielt Kassias Hand, als der Priester in den ersten Nachtstunden die Trauungsformel sprach. In aller Eile hatte Maurices Schreiber den Ehevertrag aufgesetzt. Graelam de Moreton Unterzeichnete ihn mit seinem Namen und seinen Titeln. Dann sah er schweigend zu, wie Maurice Kassias Hand über das Pergament führte.
    »Meine Tochter kann schreiben«, sagte Maurice mit bebender Stimme. »Ich habe es sie gelehrt.«
    Die Trauung war vorüber. Graelam hörte das leise Rasseln in ihrer Brust und wußte, daß das Ende nahe war. Langsam zog er seinen Ring ab und streifte ihn Kassia auf den Mittelfinger. Damit er nicht wieder herunterrutschte, schloß er ihre Hand zu einer Faust.
    »Kommt, Mylord!« sagte Maurice. »Es gibt noch viel zu tun, bevor ich mich meinem Kummer überlassen darf.«
    Noch einen letzten Blick warf Graelam auf seine Frau.
    Draußen sagte Maurice: »Es wird bald Tag werden, Mylord. Ihr müßt sofort nach St. Pol-de-Leon an der Nordküste reiten. Dort werdet Ihr den Herzog der Bretagne auf seiner Burg finden. Ihr braucht ihm nur zu sagen, daß Ihr Kassia de Lorris geheiratet habt, und ihm den Ehevertrag vorweisen.«
    »Ich bin dem Herzog nicht unbekannt«, sagte Graelam. Er erinnerte sich gut an den mächtigen Charles de Marcey. Es war ein stolzer Mann, auf den Edward große Stücke hielt. Graelam hatte einmal im Turnier an seiner Seite gekämpft.
    Maurices Augen funkelten. »Um so besser! Ihr müßt ihm den Treueeid schwören. Kassias Tod werde ich so lange wie möglich geheimhalten.«
    »Sehr gut, Maurice. Danach komme ich zurück ...«
    »Nein! Das ist nicht nötig, Mylord. Ich werde meine Tochter beerdigen, und Ihr setzt Eure Heimreise fort. Ich möchte mit meiner Trauer allein sein. Da Eure Hochzeit allgemein und überall verkündet werden wird, bin ich vor Geoffrey sicher. Ich danke Euch, Graelam de Moreton.«
    Graelam sah eine Träne auf Maurices Hand fallen.
    »Ich wünsche Euch alles Gute, Maurice. Ich teile Euren Schmerz, mein Freund.«
    »Ich danke Euch«, wiederholte Maurice. »Aber jetzt müßt Ihr fort. Gute Reise, mein Sohn!«
    Eine Weile später ließ Graelam seinen kleinen Trupp halten. Dann warf er noch einen Blick auf Belleterre, das jetzt in den ersten Strahlen der Morgenröte badete. Es war eine prachtvolle Burg, und er konnte nicht umhin, mit Freude daran zu denken, daß Belleterre eines Tages einem seiner Söhne gehören würde.
    »Guy«, sagte er zu dem jungen Ritter neben ihm. »Du weißt, was geschehen ist. Ich will, daß du es für dich behältst. Sorge dafür, daß auch die anderen Männer den Mund halten!«
    »Ja, Mylord«, sagte Guy. »Es ... es tut mir sehr leid, Mylord.«
    Graelam gab dem kraftvollen Dämon die Sporen, und bald verschwand Belleterre hinter ihnen im Dunst.

4
    Charles de Marcey, Herzog der Bretagne, versank tiefer im Sessel. Auf das Streitgespräch der beiden Ritter vor ihm achtete er kaum. Seine Gedanken waren bei seiner Frau Alice und ihren zänkischen Forderungen. Sie wagte es, ihn auszuschelten, weil er mit einem willigen Mädchen ins Bett gegangen war, nachdem sie, diese frigide Hexe, ihm ihre Gunst verweigert hatte.
    Er runzelte die Stirn und sagte mit einer Handbewegung: »Fahrt fort!« Seinen Schreiber fragte er: »Nimmst du... die wichtigsten Punkte des Streithandels auf, Simon?«
    »Ja, Mylord«, antwortete Simon.
    Armer Simon, dachte Charles. Der Mann in seinem Dienst
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