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Die stillen Wasser des Todes - Roman

Die stillen Wasser des Todes - Roman

Titel: Die stillen Wasser des Todes - Roman
Autoren: Deborah Crombie
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Strömung auszunutzen. Jetzt ließ sie sich zum Buckinghamshire-Ufer treiben, wo die Strömung weniger heftig und das Flussaufwärtsrudern weniger anstrengend war. Jeder, der jemals beim Leander-Club gerudert war, kannte sämtliche Winkel und Biegungen, jeden Windschatten entlang des Buckinghamshire-Ufers, und die meisten hätten wie Becca die Strecke im Schlaf rudern können.
    Doch die Dunkelheit wirkte noch undurchdringlicher, sobald man den Blick vom schwachen Lichtschein der Stadt abwandte, und es wurde zusehends kälter. Schon während der kurzen Pause war der Schweiß auf ihrer Haut merklich abgekühlt.
    Becca schob sich nach vorne, drehte die Blätter auf und legte dann alle Kraft in ihren Schultern und Beinen in den Zug. Sie ruderte gleichmäßig, indem sie lautlos zählte – die Litanei des Ruderers –, während sie mit raschen Blicken zum Ufer hinüber abschätzte, wie sie vorankam.
    Sie erreichte die flussaufwärts gelegene Spitze von Temple Island und erblickte wieder die bleiche Silhouette des Pavillons im Zuckerbäckerstil. Langsam, ganz langsam zogen die schwachen Umrisse vertrauter Landmarken vorüber. Hatte sie zuvor das Gefühl gehabt, in der Zeit rückwärtszugleiten, so kam es ihr nun vor, als stünde die Zeit still, als könne sie nur durch eigene Kraft die Uhrzeiger Millimeter für Millimeter vorwärtsbewegen.
    Sie verstärkte ihre Anstrengungen, Zug um Zug, ging ganz auf im Rhythmus des Schlags. Erst in der momentanen Stille nach einem perfekten Zug hörte sie das Plätschern. Das Boot knarrte, als sie anhielt, als ob es sich dem abrupten Ende der Vorwärtsbewegung widersetzte.
    Das Geräusch war sehr nahe gewesen und zu laut, um von einem untertauchenden Wasservogel zu kommen. Ein größeres Tier vielleicht, das vom Ufer ins Wasser geglitten war?
    Sie schmeckte Salz und merkte, dass ihr von der Kälte und vom Wind die Nase lief. Rasch fasste sie beide Skulls mit einer Hand, um sich mit dem Ärmel des anderen Arms über die Lippe zu wischen. Das Boot schaukelte leicht, als sie sich umdrehte, um einen Blick flussaufwärts zu werfen, und hastig packte sie die Skulls wieder mit beiden Händen. Dann spähte sie angestrengt zum Ufer, doch das Halbdunkel unter den Bäumen war inzwischen undurchdringlicher Schwärze gewichen.
    Achselzuckend drehte sie die Blätter, während sie das Geräusch ihrer zu regen Fantasie zuschrieb. Doch während sie in die Auslage rollte, vernahm sie einen Ruf. Kein Zweifel – es war eine menschliche Stimme, und sie klang merkwürdig vertraut. Und Becca hätte schwören können, dass sie ihren Namen rief.

2
    Im Skiff fand ich mein Instrument …
    Sara Hall, Drawn to the Rhythm
    Freddie Atterton zog seine Mitgliedsmarke über den Scanner an der Einfahrt zum Parkplatz des Leander-Clubs und trommelte nervös mit den Fingern auf das Lenkrad, während er darauf wartete, dass die Schranke sich hob. Die Scheibenwischer des Audi vermochten kaum etwas auszurichten gegen die Wassermassen, die vom Himmel stürzten. Als die Schranke aufging, lehnte er sich nach vorne und spähte angestrengt durch die Windschutzscheibe, während er die Kupplung kommen ließ. Beim Anfahren spürte er, wie der Kies unter den Reifen wegjrutschte.
    »Verfluchter Regen«, murmelte er, als er den Wagen auf den nächsten freien Platz lenkte. Der Parkplatz verwandelte sich rapide in einen Sumpf. Er könnte von Glück sagen, wenn er nachher überhaupt noch wegkäme. Und er würde es definitiv nicht vom Auto zum Clubhaus schaffen, ohne seine handgenähten italienischen Schuhe zu ruinieren oder auch nur den Regenschirm aufzuspannen, ehe sein Jackett klatschnass war.
    Er stellte den Motor ab und sah auf seine Uhr – fünf vor acht. Keine Zeit, eine Regenpause abzuwarten. Er wollte nicht triefnass in den Club gerannt kommen, nur um festzustellen, dass sein potenzieller Investor schon da war. Dieser Frühstückstermin war zu wichtig, als dass er es sich leisten könnte, wie ein begossener – und gehetzter – Pudel aufzukreuzen.
    Und er wäre gerne besser informiert gewesen. Der Teufel sollte Becca holen – wieso hatte sie ihn gestern Abend nicht zurückgerufen? Er hatte es an diesem Morgen erneut versucht, aber auch diesmal hatte er sie weder auf dem Festnetz noch auf dem Handy erreicht.
    Nach über einem Jahrzehnt bei der Metropolitan Police kannte Becca so gut wie jeden, der bei der Londoner Polizei irgendetwas darstellte. Freddie hatte gehofft, sie könnte ihm ein paar Tipps bezüglich seines
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