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Die stillen Wasser des Todes - Roman

Die stillen Wasser des Todes - Roman

Titel: Die stillen Wasser des Todes - Roman
Autoren: Deborah Crombie
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und blassrosa Bluse, das honigbraune Haar in einem Knoten zurückgebunden. Noch vor ein paar Jahren hätte sie ihn durchaus interessiert, aber inzwischen hatte er aus seinen Fehlern gelernt. Heute war er klüger und auch nicht mehr so unternehmungslustig. »Danke, Lily. Ich gebe ihm noch ein paar Minuten, ehe ich bestelle.«
    Sie ließ ihn allein, und er schlürfte seinen Kaffee, während er müßig den Blick über die anderen Gäste schweifen ließ. So früh in der Woche, und zumal zu dieser Jahreszeit, waren vermutlich nur wenige der zehn oder zwölf Zimmer des Clubs belegt. Und bei diesem Wetter waren die meisten der Mitglieder, die in der Nähe wohnten und gewöhnlich im Club frühstückten, wohl lieber zu Hause geblieben. Das Essen hier war allerdings außergewöhnlich gut und überraschend preiswert.
    Aber auch wenn im Speisesaal nicht viel los war, hatte der Koch bestimmt alle Hände voll zu tun. Er war nämlich auch dafür zuständig, den gewaltigen Appetit der jungen Athleten zu stillen, die in ihren eigenen Räumen aßen. Ruderer waren immer kurz vor dem Verhungern – das war für sie so natürlich wie Atmen.
    Um halb neun – Freddie hatte seine zweite Tasse Kaffee schon fast ausgetrunken und verspürte allmählich das dringende Bedürfnis nach einer Zigarette – wählte er noch einmal Craigs Nummer und wurde auf die Mailbox weitergeleitet.
    Um Viertel vor neun bestellte er sein übliches Frühstück, Rührei mit Räucherlachs, doch er musste feststellen, dass ihm der Appetit vergangen war. Während er den Teller mit dem Rührei von sich schob und stattdessen eine Scheibe Toast mit Butter bestrich, fiel ihm auf, dass der Regen nachgelassen hatte. Er konnte jetzt über den Fluss hinwegsehen, wenngleich es sich bei der wässrig grauen Kulisse aus Ladenfronten und Dächern am gegenüberliegenden Ufer ebenso gut um Venedig hätte handeln können. Aber vielleicht war ja der Verkehr inzwischen wieder in Gang gekommen. Er würde Craig noch ein paar Minuten geben.
    Als er am Empfang Stimmen hörte, drehte er sich um. Doch es war nicht der kräftige, strohblonde Craig, sondern Milo Jachym, der Trainer der Damenmannschaft, der sich mit Lily unterhielt. Er trug Regenkleidung, und seine kleine, stämmige Gestalt strahlte Entschlossenheit aus.
    »Milo«, rief Freddie, indem er aufstand und durch den Speisesaal auf ihn zuging. »Geht ihr aufs Wasser?«
    »Ich denke drüber nach. Wir haben vielleicht eine Stunde oder so, ehe der nächste Schauer durchzieht.« Milo zog den Reißverschluss seines Anoraks hoch und spähte zur Tür der Rezeption hinaus. Als Freddie seinem Blick folgte, entdeckte er in der grauen Wolkendecke im Westen tatsächlich hier und da ein Stückchen blauen Himmel. »Ich würde sie gerne von den Ergos runterholen und in die Boote setzen, auch wenn es nur für ein kurzes Training ist. Sonst werden sie mir den Rest des Tages die Ohren volljammern.«
    »Kann’s ihnen nicht verdenken. Verdammte Ergos.« Alle Ruderer hassten die Ergometer – die Geräte, mit denen man die Ruderbewegungen simulieren und die Leistung des Sportlers messen konnte. Das Training an den Ergos war mörderisch anstrengend, nur ohne die Befriedigung, die man empfand, wenn man ein Boot aus eigener Kraft über das Wasser bewegte. Das einzig Gute am Ergo-Training war, dass es so stupide war – man konnte den Verstand einfach ausschalten, während man sich körperlich bis über die Schmerzgrenze hinaus anstrengte, ohne dabei befürchten zu müssen, dass man in irgendetwas hineinfuhr und so Leben und Gesundheit riskierte.
    Milo grinste. »Das hab ich ja noch nie gehört.« Er wandte sich wieder zu den Mannschaftsräumen um. »Ich scheuch sie besser raus, ehe es zu spät ist.«
    Freddie hielt ihn zurück, indem er ihn am Arm fasste. »Milo, hast du mal eine Gelegenheit gehabt, mit Becca zu sprechen? Ich hatte gehofft, du könntest sie vielleicht zur Vernunft bringen.«
    »Na ja, gesprochen hab ich mit ihr, aber zur Vernunft bringen …« Er sah Freddie an und runzelte nachdenklich die Stirn. »Ich glaube, da rennst du gegen eine Wand. Vielleicht solltest du dich einfach in Würde geschlagen geben. Und wieso bist du eigentlich so sicher, dass sie nicht gewinnen kann?«
    »Glaubst du denn, dass sie eine Chance hat?«, fragte Freddie erstaunt zurück.
    »Weder in diesem Team« – er deutete mit dem Kopf zum Mannschaftsquartier – »noch in irgendeinem anderen, das ich im vergangenen Jahr gesehen habe, gibt es auch nur eine
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