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Die Stille über dem Wasser: Roman (German Edition)

Die Stille über dem Wasser: Roman (German Edition)

Titel: Die Stille über dem Wasser: Roman (German Edition)
Autoren: Clara Salaman
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Sattel, nickte den Umstehenden flüchtig zu und radelte mit abgewinkelten Knien zum Zollgebäude von Kos hinüber. Fragend sahen die Jungs zu Johnny hoch, als wäre es seine Schuld, dass sie nicht Zeuge einer artistischen Einlage werden würden. Johnny zuckte nur mit den Schultern und zündete seine Zigarette an.
    Johnny hatte Charlie gerade einmal sechs Stunden zuvor im Hafen von Bodrum kennengelernt, wo er sich nach einem Job umgesehen hatte. Charlie hatte auf dem Achterdeck der Old Rangoon gestanden und war in eine hitzige Debatte mit diesem Fettsack verstrickt gewesen, der ziemlich oft in seiner auf Hochglanz polierten Uniform im Jachthafen herumstolzierte und sich wichtig machte. Der Fettsack hatte sich vor der geöffneten Ladeklappe eines großen, nur wenige Meter vor dem Schiffsheck geparkten Lasters mit englischem Kennzeichen postiert und spähte in den Laderaum. Der Kerl war viel zu dick, um hineinklettern zu können, verschaffte sich jedoch Autorität, indem er sich gegen den Rahmen lehnte und irgendwelche Befehle in sein knisterndes Walkie-Talkie raunte.
    Johnny, der das Schauspiel aus der Ferne beobachtet hatte, war um den Laster herumgegangen und hatte ebenfalls ins Innere gespäht. Allem Anschein nach zog irgendein reicher Typ um, denn die Ladefläche war mit feudalen Möbelstücken und riesigen Harrods-Kisten gefüllt.
    Ein pickliger junger Türke stand zwischen dem Uniformierten und Charlie und versuchte zu dolmetschen. Johnny, der eine Chance witterte, trat hinter die drei, um zu lauschen. Er besaß die Gabe, stets zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein und aufzufallen, was umso wertvoller war, da er und Clemmie dringend Geld brauchten. Sie waren komplett abgebrannt. Im Hafen gab es im Moment keine Arbeit, sie hausten in einem Zelt hinter Attilas Restaurant und hatten umgerechnet gerade noch drei Pfund Bargeld in der Tasche. Das bedeutete, noch zwei Tage, dann würden sie schon wieder ihr Essen klauen müssen.
    Charlie hatte etwas Soldatisches an sich, was durch seine Angewohnheit noch verstärkt wurde, die Hacken zusammenzuschlagen, um seinen Worten mehr Gewicht zu verleihen. Sein Bart war mit militärischer Präzision gestutzt, und seine Sprechweise verriet, dass er an Gehorsam gewöhnt war. Er machte keinerlei Anstalten, mit den Türken langsamer zu sprechen als mit allen anderen.
    »Wie mit den Behörden vereinbart, lassen wir den Laster hier beim Zoll stehen. Morgen früh um exakt null achthundert kommt der Besitzer her und fährt ihn weg. Verstanden?«
    Die Version des pickligen Jungen fiel deutlich knapper aus. Der Uniformierte grunzte, schüttelte den Kopf und winkte ab, woraufhin sich der Junge wieder an Charlie wandte. »Kein Laster«, erklärte er.
    »Mein Boss hat Sie aber schon dafür bezahlt, dass er ihn hier stehen lassen darf«, beharrte Charlie und schlug nachdrücklich die Hacken zusammen.
    Der Dolmetscher übersetzte, doch der Uniformierte schüttelte abermals den Kopf und zündete sich eine weitere Zigarette an, während er mit lüsternem Blick über Charlies Schulter linste. Johnny folgte seinem Blick: Clem redete wenige Meter neben ihnen mit einem Mann auf einem Katamaran. Sie ging an Bord, wobei ihr Sarong ein Stück hochrutschte und den Blick auf ihre Beine freigab. Ihr von der Sonne gebleichtes, kupferrotes Haar flatterte im Wind.
    »Okay«, schlug Charlie vor. » Wir laden die Sachen aus und lassen sie bei Ihnen, wo der Besitzer sie dann zur vereinbarten Uhrzeit abholt.«
    Weder der Dolmetscher noch der Uniformierte zeigten sich sonderlich beeindruckt von dem Vorschlag.
    »Bringen Sie die Sachen nach Kos!«, befahl der Uniformierte, wandte sich ab und kratzte sich ohne jede Hemmung im Schritt.
    »Braucht ihr Hilfe?« Johnny trat vor. »Wir suchen Arbeit.« Er nickte in Clems Richtung, um zu signalisieren, dass sie zusammengehörten.
    Charlie kratzte sich am Bart, den Blick immer noch auf den uniformierten Fettsack geheftet, der von dannen watschelte. »Was für ein Idiot«, brummte er. »Glaubt wohl, ich würde in Geld schwimmen …«
    Dieser Gedanke war nicht allzu abwegig. Charlie besaß diese typische gewollt-lässige Eleganz reicher Leute. Seine schwarzen Jeans waren makellos sauber und scheinbar achtlos hochgekrempelt, sein gebügeltes Hemd war blütenweiß, und seine Segelschuhe wiesen keinerlei Schrammen oder Kratzer auf.
    »Dann ist sie also gar nicht Ihr Boot?«, fragte Johnny und betrachtete die Old Rangoon eingehend, um herauszufinden, ob es den Aufwand wert
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