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Die Stille über dem Wasser: Roman (German Edition)

Die Stille über dem Wasser: Roman (German Edition)

Titel: Die Stille über dem Wasser: Roman (German Edition)
Autoren: Clara Salaman
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das Motorrad herum und beäugte es. »Oh. Oh. Oh. Was haben wir denn da?«
    Er sagte allen Ernstes »Oh. Oh. Oh«, wie aus dem Lehrbuch der Polizeischule. »Kein Bremslicht? Kein Blinker? Kein Helm?«
    Keine Versicherung. Kein TÜV. Und auch keine Zulassung, aber dafür war später noch Zeit genug.
    »Kein Nummernschild?«, warf der Große ein. Johnny wusste nicht, wieso sie ihre Feststellungen als Fragen formulierten, fühlte sich jedoch nicht bemüßigt, etwas darauf zu erwidern.
    »Dürfte ich mal Ihren Führerschein sehen, Sir?«
    »Hab ich nicht dabei«, erklärte er, woraufhin der kleinere Bulle umständlich seinen Notizblock aus der Tasche zog.
    »Name?«
    Johnny war nicht blöd. Er würde ganz bestimmt nicht seinen richtigen Namen verraten. Er sah sich suchend um.
    »Hood«, sagte er. Der Polizist begann zu schreiben. »Robin Hood.«
    Er spürte, wie Clem ihn in die Taille kniff, jedoch keinen Ton von sich gab. Die Oberlippe des Polizisten kräuselte sich, als er aufsah. Doch Johnny erkannte die Buchstaben HOO auf seinem Block.
    »Du wirst mir hier nicht meine kostbare Zeit stehlen, du kleiner Mistkerl.«
    »Ganz ehrlich«, beharrte Johnny. »So heiße ich. Robin Hood.«
    Die Polizisten tauschten einen Blick.
    »Sind Sie verdammt noch mal taub?«, schrie der Große.
    »So heiße ich aber, Sir«, gab Johnny zahm zurück.
    »Wir können auch aufs Revier fahren. Dort können Sie ihn uns buchstabieren.«
    »Aber«, sagte Johnny betrübt, »ich kann doch auch nichts dafür, dass meine Eltern solche Spinner waren. Ich leide schon mein ganzes Leben darunter, und ich schwöre, dass ich den Namen so schnell wie möglich ändern werde, aber was soll ich machen? Ich heiße Robin Hood. Wenn Sie wollen, kann ich Ihnen gern meine Geburtsurkunde zeigen.«
    Johnny bemerkte einen hauchfeinen Riss in der beinharten Fassade des Kleineren. Vielleicht fragte er sich doch, ob der Junge recht haben könnte.
    »Sehe ich aus, als wäre ich von gestern?«, blaffte er Johnny an, doch der Keim des Zweifels blieb.
    Zutiefst bedrückt über die Grausamkeit des Lebens, zuckte Johnny mit den Achseln. »Es ist die Wahrheit.«
    Der Bulle musterte ihn durchdringend, dann sah er seinen Partner an. Schließlich notierte er den Namen und wandte sich an Clem. »Und du, Kleine?«, fragte er. »Wie heißt du?«
    Sie beugte sich vor und linste auf den Block. »Marian«, sagte sie mit klarer Stimme. »Lady Marian.«

2 flitterwochen

    Es war reichlich kühl, nachdem die Sonne erst einmal hinter den Bergen untergegangen war; typisch für Mitte März, wenn es an den Abenden meist noch sehr frisch wurde. Johnny stand auf dem Oberdeck und ließ den Blick über die Fischerboote hinweg zum Meer und schließlich in die Richtung schweifen, aus der sie gekommen waren: der Türkei. Er stellte sich auf die hölzerne Reling, um einen besseren Ausblick zu haben, doch das brachte nichts. Schon den ganzen Tag über hatte schlechte Sicht geherrscht. Er wandte sich um und konnte wieder einmal nur staunen, wie hässlich die Old Rangoon war – dreißig Meter Geschmacklosigkeit der Extraklasse, ein Millionärsspielzeug, ein schwimmender Beweis kompletter Seeuntüchtigkeit, ein Schickimicki-Plastikungetüm, das bestenfalls für Cocktailstunden in irgendeinem Nobelhafen zu gebrauchen war. Er hätte sich nie im Leben vorstellen können, jemals einen Fuß auf eine derartige Monstrosität zu setzen. Andererseits hatte er sich eine Menge andere Dinge nie vorstellen können – beispielsweise, mit Clemence Bailey verheiratet zu sein und die Gewissheit zu haben, dass ihnen die ganze Welt offenstand.
    Er kletterte von der Reling und drehte sich eine Zigarette. Unten auf dem Steg stand eine Handvoll junger Griechen und beobachtete fasziniert, wie Charlie, der britische Skipper der Old Rangoon, mit der konzentrierten Routine eines Mannes, der an neugierige Blicke gewöhnt war, ein Klappfahrrad in Gang brachte. Im Vergleich zu Charlies eindrucksvoller Körpergröße war das Rad geradezu lächerlich winzig, und als er mit entschlossenen Bewegungen Hebel umlegte und Griffe einrasten ließ, sah es aus, als würde er sich für eine Zirkusnummer bereit machen. Mittlerweile hatte sich ein kleines, aber überaus interessiertes Publikum um ihn geschart und beobachtete ihn gespannt, als erwarteten sie, dass er sich gleich auf das Fahrrad schwingen und jonglieren oder ein Schwert schlucken würde. Stattdessen katapultierte Charlie sich mit einem völlig unnötigen Scherensprung auf den
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