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Die Sternseherin

Titel: Die Sternseherin
Autoren: Jeanine Krock
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manchmal auf die Nerven. Aber es gibt auch ein paar gute Pubs, in denen du fast nur Einheimische triffst. Dort hinten, die Straße hinunter, haben wir sogar einen kleinen Supermarkt, dort kannst du alles Wichtige einkaufen, den zeige ich dir später. Jetzt sollten wir erst einmal deine Sachen in die Wohnung tragen.« Sie lotste Estelle zwischen den Passanten hindurch in eine unscheinbare Gasse, die so schmal war, dass sie nicht nebeneinander hergehen konnten. Der Straßenlärm verebbte und vor ihnen öffnete sich ein gepflasterter Innenhof. Die Häuser sahen alt aus, und als Estelle eine entsprechende Bemerkung machte, sagte Manon: »Einige stammen aus dem 18. Jahrhundert. Aber keine Angst. Inzwischen gibt es fließend Wasser und niemand kippt mehr seinen Nachttopf aus dem Fenster.«
    Ein Geräusch ertönte über ihren Köpfen und Estelle blickte erschrocken durch die Zweige einer Platane, die bis zum 3. Stock hinaufreichten. Dort oben spiegelte sich nur das Licht in den Scheiben, keine Hausfrau drohte mit einem Schauer unangenehmer Flüssigkeiten oder Schlimmerem. Erleichtert nahm sie ihren Koffer wieder in die Hand. Auf der Bank unter dem Baum saß eine Mutter trotz der frischen Temperaturen in der Nachmittagssonne und las, während ihre Hand gedankenverloren ein Baby streichelte, das neben ihr in Kissen gebettet schlummerte. Ein Spatz beobachtete aus sicherer Entfernung die Szene. Er hoffte vielleicht auf ein paar Krümel aus der Packung, die offen neben der Frau lag. Und tatsächlich griff sie hinein und warf einen halben Keks in seine Richtung. Der Vogel stürzte sich auf die Beute und versuchte vergeblich, sie vor seinen Kameraden in Sicherheit zu bringen, die sich nun aus den Zweigen der Platane zu ihm herabwagten. Estelle schien es, als käme sie nach Hause. Die Frau sah in ihre Richtung, blinzelte im hellen Licht und winkte herüber. Sie hob ebenfalls ihre Hand und grüßte schüchtern zurück. Manon wartete schon an einem Hauseingang und gleich darauf wurde sie von der Dunkelheit, die im Inneren herrschte, verschluckt. Estelle folgte ihr hinein und eine steinerne Treppe hinauf, die sich Stufe für Stufe nach oben schraubte. Dabei vermied sie jeden Gedanken an die zahllosen Generationen, die vor ihr diesen Weg gegangen waren, zu groß war die Furcht vor einer neuen Vision.
    »In welcher Etage wohnst du?«, fragte Estelle nach einer Weile und schaute durch eines der schmalen Fenster in den Hof hinab, um zu Atem zu kommen.
    »Ganz oben. Es gibt hier sieben Ebenen. Genauer gesagt haben wir zwei Etagen, in die die Mieter über eine andere Treppe hinuntergelangen, und fünf oberirdische Stockwerke.«
    »Hier hausen Menschen im Keller?«
    »Nicht doch! Erinnerst du dich, als wir vorhin unterhalb der Altstadt entlanggefahren sind? Einige Häuser wurden aus Platzgründen direkt auf die Felskante gebaut und so sind am Steilhang zwei halbe Etagen mit Blick ins Tal entstanden. Die Mieten sind dort relativ günstig, aber natürlich sind die oberen Wohnungen weitaus begehrter. Du solltest einmal die unter uns sehen, sie wird gerade renoviert und soll danach wahrscheinlich verkauft werden. Ein Traum!« Sie lächelte. »Du wirst sehen, an die Treppen gewöhnst du dich schnell und der Blick ist phänomenal. An manchen Tagen sieht man sogar das Meer. Zugegeben, so schönes Wetter wie heute haben wir selten, aber häufiger als böse Zungen behaupten.«
    Am Ende der Treppe angekommen, schloss sie eine Tür auf und schob Estelle hinein.
    »So, da wären wir. Es ist kein Palast, aber ich liebe diese Dachschrägen.«
    Estelle hörte den Stolz in Manons Stimme und war gespannt darauf, was sie vorfinden würde. Vor ihnen öffnete sich ein Raum, der die deutliche Handschrift seiner farbverliebten Dekorateurin trug. Neben einem roten Plüschsofa stand ein grün bezogener Sessel, der sich gefährlich zur Seite lehnte, was kein Wunder war, denn eines der gedrechselten Beine fehlte und steckte nun in einer besonders scheußlichen Vase auf dem Kaminsims. »Unser ›Salon‹«, verkündete Manon, ehe sie ein paar Kleidungstücke vom Boden aufhob, die sie unter den Arm klemmte, bevor sie eine weitere Tür aufstieß. »Und hier wohnst du.« Estelle ahnte nichts Gutes, denn so originell Manons Behausung auch wirkte, ihr Geschmack war das nicht. Deshalb schaute sie um so überraschter, als sie ihr zukünftiges Heim betrat. Hier war alles in unterschiedlichen Weißtönen gehalten und die unter hellem Lack glänzenden Holzdielen verliehen dem
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