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Die sterblich Verliebten

Die sterblich Verliebten

Titel: Die sterblich Verliebten
Autoren: Javier Marías
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er sich ewig Zeit damit, und mein Chef bekam es mit der Angst, wurde nervös, wenn man den Mann zur Kasse bitten musste. Es hatte gerade noch gefehlt, dass wir ihm für den neuen Roman, unvollendet und somit noch nicht unter Vertrag, seine Laster finanzierten.
    Ich merkte, dass er noch mehr zögerte. Vielleicht hatte er sich bisher keine Gedanken über die Ausgaben gemacht, verwöhnt, wie er war. Wie so viele andere Schriftsteller war er ein Schnorrer, ein Geizhals ohne Stolz. Er hinterließ horrende Rechnungen in den Hotels, wenn er seine Vorträge in der weiten Welt hielt oder eher in der engen Provinz. Eine
Suite
verlangte er, alle Extras inklusive. Es wurde gemunkelt, dass er auf Reisen seine schmutzige Kleidung und die Bettwäsche mitnahm, nicht etwa eine exzentrische Laune, ein Spleen, sondern das Hotel sollte sie ihm waschen, sogar die Socken, zu denen er sich nicht Rat bei mir holte. Das konnte nicht wahr sein – wie unglaublich lästig, so viel Gepäck mit sich herumzuschleppen –, doch niemand fand eine andere Erklärung dafür, dass die Veranstalter seines Vortrags einmal eine kolossale Wäscherechnung hatten begleichen müssen (an die zweihundert Euro, wie sich herumgesprochen hatte).
    »Weißt du, was man heute für Kokain bezahlt, María?«
    Ich kannte den genauen Preis nicht, schätzte an die sechzig Euro, setzte jedoch höher an, um ihn zu erschrecken und zu entmutigen. Ich witterte meine Chance oder zumindest einen Ausweg aus der Verlegenheit, es ihm beschaffen zu müssen, wer weiß, in welchen Spelunken, an welchen einsamen Ecken.
    »Mir scheint, so an die achtzig Euro pro Gramm.«
    »Hui.« Er wurde nachdenklich. Das Knauserkalkül der emsigen Maus arbeitete wohl in seinem Kopf. »Gut. Vielleicht hast du recht. Vielleicht reicht auch eins oder ein halbes. Kann man ein halbes kaufen?«
    »Das entzieht sich meiner Kenntnis, Herr Garay Fontina. Ich nehme keins. Würde aber sagen, nein.« Besser, er sah keine Einsparmöglichkeiten. »Man kann ja auch kein halbes Fläschchen Kölnisch Wasser kaufen, vermute ich. Keine halbe Birne.« Kaum hatte ich das gesagt, merkte ich, wie absurd diese Vergleiche waren. »Oder eine halbe Tube Zahnpasta.« Das schien mir passender zu sein. Aber noch musste man ihn dazu bringen, die Idee ganz aufzugeben oder den Stoff auf eigene Faust zu besorgen, ohne dass wir straffällig wurden oder Geld vorschießen mussten. Bei ihm wusste man nie, ob man es je wiedersah, und zum Fenster konnte der Verlag sein Geld auch nicht hinausschmeißen. »Wenn ich fragen darf, wollen Sie es schnupfen oder nur anschauen und anfassen?«
    »Ich weiß noch nicht. Das hängt davon ab, was das Buch heute Abend verlangt.«
    Ich fand es lächerlich, dass ein Buch irgendetwas verlangte, ob abends oder tagsüber, schon gar kein ungeschriebenes, dazu noch von dem, der es gerade schrieb. Ich nahm es als poetische Metapher und ließ es kommentarlos durchgehen.
    »Sehen Sie, im zweiten Fall, wenn Sie es bloß beschreiben, also ich weiß nicht, wie ich es erklären soll. Sie wollen doch ein universaler Schriftsteller sein, sind es ja bereits, und als solcher haben Sie Leser aller Altersgruppen. Sie möchten doch nicht, dass die jungen Leute denken, die Droge sei etwas Neues für Sie und Sie hätten keinen Schimmer, wenn Sie erst zu erzählen anfangen, wie sie aussieht und wirkt. Und dass sie sich über Sie lustig machen. Beschreibt man heutzutage Kokain, könnte man genauso gut eine Ampel beschreiben. Na, was wären die Adjektive? Grün, gelb, rot? Statisch, aufrecht, unerschütterlich, metallisch? Das wäre doch albern.«
    »Du meinst eine Ampel, wie die auf der Straße?«, hakte er beunruhigt nach.
    »Eben die.« Ich wusste nicht, was ich anderes mit »Ampel« hätte meinen sollen, zumindest in der Alltagssprache.
    Er schwieg einige Augenblicke.
    »Sich lustig machen, was? Keinen Schimmer«, wiederholte er. Ich merkte, dass diese Wörter ihr Ziel erreicht und Wirkung gezeitigt hatten.
    »Aber nur in dem genannten Fall, Herr Fontina, so viel steht fest.«
    Die Aussicht, dass sich ein paar junge Leute über eine einzige seiner Zeilen lustig machen könnten, war ihm wohl unerträglich.
    »Gut, ich denke drüber nach. Ein Tag hin oder her, was macht das schon. Morgen sage ich dir, wie ich entschieden habe.«
    Ich wusste, dass er nichts mehr dazu sagen würde, dass er sich schwachsinnige Experimente und Recherchen verkneifen und unser Telefongespräch nie mehr erwähnen würde. Er gerierte sich als
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