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Die sterblich Verliebten

Die sterblich Verliebten

Titel: Die sterblich Verliebten
Autoren: Javier Marías
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bekannt. In vielen Filmen kommt es vor, haben Sie seinerzeit nicht die von Tarantino gesehen? Oder den mit Al Pacino, wo er sich ganze Berge davon reinzieht?«
    »So weit reicht’s bei mir noch, liebe María«, entgegnete er pikiert. »Immerhin lebe ich auf diesem dreckigen Planeten, sowenig es auch den Anschein haben mag, wenn ich gerade schöpferisch tätig bin. Aber sei so lieb und unterschätz mich nicht, die du dich nicht aufs bloße Bücherproduzieren beschränkst wie deine Kollegin Beatriz und so viele andere, sondern sie außerdem liest, mit gutem Urteil dazu.« Derlei sagte er mir bisweilen, vermutlich, um mich für sich zu gewinnen: Ich hatte ihm niemals meine Meinung über irgendeinen seiner Romane gesagt, dafür wurde ich nicht bezahlt. »Ich fürchte nur, nicht das präzise Adjektiv zu finden. Mal sehen, weißt du genau, ob es ein milchiges Weiß ist oder ein Kalkweiß? Und die Beschaffenheit: Ist es eher wie zermahlene Kreide oder wie Zucker? Wie Salz, wie Mehl oder wie Talkum? Na, sag schon.«
    Da hatte ich mich auf eine absurde, gefährliche Diskussion eingelassen, überempfindlich, wie der baldige Laureat war. Ich hatte mich selbst reingeritten.
    »Wie Kokain eben, Herr Garay Fontina. Heutzutage muss man es nicht beschreiben, denn wer hätte es nicht probiert oder vor Augen gehabt. Höchstens die Alten nicht, doch auch die haben es tausendmal im Fernsehen gesehen.«
    »Willst du mir etwa sagen, wie ich zu schreiben habe, María? Ob ich ein Adjektiv setzen soll oder nicht? Was ich beschreiben soll und was überflüssig ist? Soll das eine Lektion für Garay Fontina sein?«
    »Aber nein, Herr Fontina …« Es gelang mir einfach nicht, ihn jedes Mal mit beiden Namen anzusprechen, das dauerte eine Ewigkeit, und die Kombination war weder klangvoll noch gefiel sie mir. Dass ich »Garay« ausgelassen hatte, schien ihn aber weniger zu stören.
    »Wenn ihr mir heute zwei Gramm Koks besorgen sollt, dann werde ich meine Gründe haben. Dann wird mein Buch sie heute Abend brauchen, und ihr wollt doch ein neues Buch und ohne Fehler, nicht wahr? Ihr habt nichts weiter zu tun, als es mir zu beschaffen und vorbeizubringen, ohne Widerrede. Oder muss ich persönlich mit Eugeni sprechen?«
    Hier schob ich auf eigenes Risiko den Riegel vor und verhedderte mich dabei in einer katalanischen Satzstellung. So etwas hängte mir mein Chef an, der gebürtiger Katalane war und Katalanismen wie Pyramiden auftürmte, obwohl er sein ganzes Leben in Madrid verbracht hatte. Wenn ihm Garays Forderung zu Ohren kam, brachte er es fertig und schickte uns allesamt nach Drogen aus (in verrufene Viertel oder Gegenden, in die sich kein Taxifahrer vorwagt), nur um es ihm recht zu machen. Er nahm seinen eitelsten Autor allzu ernst, unfassbar, wie diese Leute so viele von ihrer Größe überzeugen können, ein rätselhaftes, allgemein verbreitetes Phänomen.
    »Dass Sie uns für Dealer halten, Herr Fontina?«, sagte ich. »Sie verlangen von uns, dass wir gegen das Gesetz verstoßen, ich weiß nicht, ob Ihnen das bewusst ist. Kokain kauft man nicht im Tabakladen, das wissen Sie doch, auch nicht in der Eckkneipe. Und wozu brauchen Sie ausgerechnet zwei Gramm? Haben Sie eine Vorstellung, wie viel zwei Gramm sind, wie viele Lines das ergibt? Nicht, dass Sie eine Überdosis abkriegen, das wäre ein großer Verlust. Für Ihre Frau und für die Literatur. Sie könnten einen Hirnschlag bekommen. Oder abhängig werden und an nichts anderes mehr denken, aus mit der Literatur, aus mit allem, ein menschliches Wrack, aus mit dem Reisen, denn mit Drogen kann man keine Grenzen überqueren. Was halten Sie davon, die schwedische Zeremonie ist im Eimer, aus mit den Frechheiten für Carl Gustav.«
    Garay Fontina schwieg einen Augenblick, als überlegte er, ob er mit seiner Forderung zu weit gegangen war. Aber ich glaube, am schwersten wog die Drohung, am Ende Stockholms Teppiche nicht betreten zu können.
    »Ach was, von wegen Dealer«, sagte er endlich. »Ihr kauft es doch bloß, handelt nicht damit.«
    Ich nutzte seine Unschlüssigkeit, um ein wichtiges Detail des geplanten Geschäfts zu klären:
    »Na, und wenn wir es Ihnen übergeben? Wir drücken Ihnen die zwei Gramm in die Hand und Sie uns das Geld, nicht wahr? Was ist das? Etwa kein Dealen? Für einen Bullen zweifellos.« Das war keine Lappalie, denn Garay Fontina erstattete uns nicht immer die Kosten für die Reinigung, den Lohn für die Maler oder die Reservierungskosten in Batticaloa, bestenfalls ließ
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