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Die sterblich Verliebten

Die sterblich Verliebten

Titel: Die sterblich Verliebten
Autoren: Javier Marías
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Erstes das Gesicht des anderen gesehen, Tag für Tag seit langen Jahren, dazu noch Kinder, die sie ein paarmal begleiteten, das Mädchen um die acht, der Junge um die vier und seinem Vater unglaublich ähnlich.
    Er kleidete sich distinguiert, eine Spur altmodisch, ohne dass er im Geringsten lächerlich oder unzeitgemäß gewirkt hätte. Das heißt, er ging immer im Anzug, passend kombiniert, maßgeschneiderte Hemden, teure, schlichte Krawatten, Einstecktuch, Manschettenknöpfe, blitzsaubere Schnürschuhe – schwarz oder aus Wildleder, Letzteres nur ab dem Frühsommer, wenn er die hellen Anzüge wählte –, manikürte Hände. Trotzdem vermutete man keinen eitlen Manager in ihm, keinen feinen Pinkel. Er schien eher ein Mann zu sein, dessen gute Erziehung es nicht gestattete, anders gekleidet auf die Straße zu treten, zumindest nicht an einem Wochentag; an ihm wirkte der Aufzug ganz natürlich, als hätte ihm sein Vater beigebracht, dass sich derlei ab einem bestimmten Alter gehört, unabhängig von den Moden, die schon bei ihrer Geburt hinfällig sind, und von unserer zerlumpten Zeit, auf die er nichts geben musste. So klassisch ging er, dass ich niemals ein ausgefallenes Accessoire an ihm entdeckte: Er wollte nicht den Originellen spielen und wirkte doch ein wenig so inmitten dieses Cafés, in dem ich ihn immer sah, ja inmitten unserer nachlässigen Stadt. Seine Natürlichkeit wurde noch verstärkt von einem zweifellos warmherzigen Charakter, heiter, ja ungezwungen (doch nie etwa den Kellnern gegenüber, die er siezte und mit heute ungebräuchlicher Liebenswürdigkeit behandelte, ohne sich dabei anzubiedern): Tatsächlich erregte sein häufiges, fast schallendes Gelächter Aufsehen, wirkte aber keineswegs störend. Er verstand es, zu lachen, kräftig, doch aufrichtig und herzlich, niemals, als wollte er sich einschmeicheln oder anpassen, sondern als bereitete ihm tatsächlich etwas Heiterkeit, und das war oft der Fall, ein großzügiger Mann, immer bereit, sich auf die Komik des Moments einzulassen und Witze zu würdigen, zumindest die sprachlicher Natur. Vielleicht erzählte sie ihm seine Frau, es gibt Menschen, die uns zum Lachen bringen, auch wenn sie es nicht darauf anlegen, es gelingt ihnen vor allem durch ihre Gegenwart, bei der unser Lachen nicht viel Anschub braucht, es reicht, sie zu sehen, bei ihnen zu sein, ihnen zuzuhören, auch wenn sie nichts Weltbewegendes von sich geben, ja bewusst dumme, plumpe Scherze aneinanderreihen, die jedoch alle unsere Heiterkeit erwecken. Die beiden schienen füreinander solche Menschen zu sein; und obwohl man ihnen ansah, dass sie verheiratet waren, überraschte ich sie nie bei einer affektierten, aufgesetzten Geste, nicht einmal bei einer eingeübten wie bei manchen Ehepaaren, die seit Jahren zusammenleben und sich öffentlich mit ihrer anhaltenden Verliebtheit brüsten wie mit einem Verdienst, das sie aufwertet, oder einer Zierde, die sie schmückt. Bei ihnen hatte man den Eindruck, dass sie einander sympathisch und angenehm sein wollten, wie im Vorfeld eines Werbens; oder dass sie sich bereits vor ihrer Ehe, ja bevor sie überhaupt ein Paar waren, so sehr geschätzt und gemocht hatten und einander in jedem Fall aus freien Stücken – nicht aus ehelicher Pflicht, nicht aus Bequemlichkeit oder Gewohnheit, nicht einmal aus Treue – zum Gefährten oder Begleiter, zum Freund, Gesprächspartner oder Komplizen erwählt hätten, in der Gewissheit, was auch immer geschehen oder eintreten mochte, was auch immer zu erzählen oder zu hören war, es wäre in jedem Fall weniger interessant oder amüsant mit einem anderen. Für ihn ohne sie, für sie ohne ihn. Da war Kameradschaft und vor allem Überzeugung.

Miguel Desvern oder Deverne hatte sehr angenehme Gesichtszüge, deren Ausdruck auf männliche Weise zärtlich war, was ihn aus der Distanz sehr anziehend machte und im Umgang, wie ich vermutete, unwiderstehlich. Wahrscheinlich war er, nicht Luisa, mir zuerst aufgefallen, oder er hatte mich veranlasst, auch auf sie zu achten, denn die Frau sah ich oft ohne ihren Mann – er verließ immer zuerst das Café, sie blieb meist ein paar Minuten länger, mal allein mit einer Zigarette, mal mit ein, zwei Kolleginnen, anderen Müttern oder Freundinnen, die sich an manchen Morgen im letzten Moment zu ihnen gesellten, wenn er schon aufbrach –, aber ihn sah ich niemals ohne seine Frau. Sein Bild existiert für mich nur mit ihr zusammen (das war einer der Gründe, weshalb ich ihn
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