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Die Stadt und die Stadt

Die Stadt und die Stadt

Titel: Die Stadt und die Stadt
Autoren: China Miéville
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hier ab. Ganz schön frech, der Kerl, schert sich nicht drum, dass man sie früher oder später finden wird.«
    »Frech oder dämlich.«
    »Oder frech und dämlich.«
    »Also ein frecher, dämlicher Sadist«, sagte ich. Er hob den Blick: Vielleicht.
    »Okay.« Ich seufzte. »Eine Möglichkeit von vielen. Mach die Runde bei den hiesigen Schwalben. Die uniformierten Kollegen kennen sich wahrscheinlich hier aus und können dir Tipps geben. Finde heraus, ob die Damen vom Strich in letzter Zeit mit jemandem Ärger hatten. Zeig ihnen ein Foto, damit wir herauskriegen, wer unsere Fulana Ix ist.« Ich benutzte die übliche Bezeichnung für weiblich, unbekannt. »Bevor du das in Angriff nimmst, möchte ich, dass du Barichi und seine Kumpels da drüben befragst. Sei nett zu ihnen, Bardo, sie hätten auch abhauen können und darauf warten, dass ein anderer Idiot die Bullen ruft. Ich meine das ernst. Und nimm Yaszek mit.« Ramira Yaszek verstand sich ausgezeichnet darauf, Leute auszufragen. »Höre ich heute Nachmittag von dir?«
    Sobald er außer Hörweite war, bemerkte ich zu Corwi: »Vor ein paar Jahren hätten wir für den Mord an einer Nutte nicht halb so viele Leute in Trab gesetzt.«
    »Wir haben's weit gebracht«, meinte sie. Corwi war nicht viel älter als unsere Tote.
    »Naustin ist garantiert nicht entzückt darüber, den Straßenstrich abklappern zu müssen, aber Sie dürften bemerkt haben, dass er keine Einwände erhebt.«
    »Wir haben's weit gebracht«, wiederholte sie.
    »Und?« Ich hob eine Augenbraue. Schaute in Naustins Richtung. Wartete. Ich erinnerte mich an Corwis Mitarbeit im Fall Shulban, der sich entgegen dem ersten Anschein im Lauf der Ermittlungen als ausgesprochen harte Nuss erwiesen hatte.
    »Ich finde nur, wir sollten uns nicht zu früh festlegen«, meinte sie.
    »Lassen Sie hören.«
    »Ihr Make-up. Ausschließlich Erd- und Brauntöne. Dick aufgetragen, aber nicht, Sie wissen schon, ordinär. Und haben Sie ihre Haare gesehen?« Hatte ich. »Nicht gefärbt. Fahren Sie mit mir die GunterStrász entlang, in der Gegend um die Arena, zu allen Plätzen, wo die Mädchen stehen. Zwei Drittel Blondinen, grob geschätzt. Und die nicht blond sind, sind schwarz oder blutrot oder sonstwie knallig gefärbt. Und ...« Sie rieb die Finger gegeneinander, als befühlte sie eine Haarsträhne. »Es ist schmutzig, aber viel besser in Schuss als meins.« Sie fuhr mit der Hand durch ihre eigenen splissigen Haarspitzen.
    Für die meisten Prostituierten in Besźel, besonders in Gegenden wie diesen, standen Nahrung und Kleidung für ihre Sprösslinge an erster Stelle, dann folgten Felid oder Crack für sie selbst und ihr eigenes Essen. Alles andere kam danach, eine Liste, auf der Haarconditioner ziemlich weit unten stand. Ich ließ den Blick über die emsig tätigen Beamten wandern, zu Naustin, der im Begriff war, sich auf den Weg zu machen.
    »Bedenkenswert«, sagte ich. »Kennen Sie sich hier aus?«
    »Na ja, es ist nicht unbedingt der Mittelpunkt des Universums. Genau genommen kann man das hier kaum noch Besźel nennen. Mein Bezirk ist Lestov. Man hat ein paar von uns hergeschickt, als die Meldung kam. Aber ich habe vor ein paar Jahren eine Zeitlang hier Dienst geschoben und weiß in etwa, was Sache ist.«
    Lestov war selbst schon fast Vorstadt, ungefähr sechs Kilometer vom Stadtzentrum entfernt. Wir befanden uns südlich davon, auf einem über die Yovic-Brücke erreichbaren Stück Land zwischen dem Bulkya-Sund und der Flussmündung. Theoretisch eine Insel, allerdings so nahe am Festland und durch verfallene Industrieanlagen damit verbunden, dass man es nie vermuten würde, bestand Kordvenna aus Wohnsiedlungen, Lagerhäusern und billigen Kneipen, geeint durch endlose Graffiti-Friese. Das ganze Elend war weit genug vom Herzen Besźels entfernt, dass man es vergessen konnte, im Gegensatz zu den meisten innerstädtischen Slums.
    »Wie lange waren Sie hierher abgeordnet?«, forschte ich.
    »Sechs Monate, wie üblich. Was man erwarten kann: Diebstahl, zugedröhnte Halbstarke, die sich gegenseitig den Schädel einschlagen, Drogen, Prostitution.«
    »Mord?«
    »Zwei oder drei während meiner Zeit. Drogengeschichten. Meistens kommt es nicht so weit. Die Gangs beherrschen die Kunst, sich wechselseitig Mores zu lehren, ohne die Mordkommission auf den Plan zu rufen.«
    »Dann hat jemand über die Stränge geschlagen.«
    »Ja. Oder es war ihm egal.«
    »Oder das. Ich hätte Sie gern im Team. Woran arbeiten Sie momentan?«
    »Nichts
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