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Die Stadt der schwarzen Schwestern

Die Stadt der schwarzen Schwestern

Titel: Die Stadt der schwarzen Schwestern
Autoren: Guido Dieckmann
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Gotteshaus nicht auf ihn schießen lassen, schon gar nicht, wenn er einen spanischen Adeligen in seiner Gewalt hatte. Flink bewegte er sich rückwärts bis zu Cäcilia, der er das Buch entriss. Dann zerrte er den sich heftig wehrenden Don Luis zu der Treppe, die zur Krypta hinabführte. Er hatte offenbar vor, durch die unterirdischen Gänge zu entkommen. «Bleibt zurück», rief er Griet warnend zu. «Sonst stirbt der Mann auf der Stelle. Ihr wisst, dass ich meine Versprechen halte!»
    «Es wird alles gut, Griet», keuchte Don Luis, der kaum Luft bekam. «Kümmere dich um … meine Mutter.»
    «Luis …»
    Ein gequältes Lächeln glitt über das Gesicht des Spaniers. Seine Lippen formten drei Wörter, die Griet auf Anhieb verstand.
    Ich liebe dich auch, dachte Griet unter Tränen. Dann wurden die beiden Männer von der Dunkelheit der Krypta verschluckt.

    Kurz darauf nahm ihr der Statthalter die Pistole aus der Hand. Schlecht gelaunt wie immer baute er sich vor Griet auf, wobei seine Augen unablässig die Umgebung abtasteten, als befürchtete er, Rink könnte hinter einer Säule stehen. «Wo ist der Bursche?», rief er. Ein dumpfer Knall verschluckte seine Worte. Es klang, als habe der Wind mit Wucht eine Tür zugeschlagen.
    Griet zuckte zusammen.
    «Was zum Teufel war das?»
    Sie sah, wie Cäcilia auf sie zukam. Die ältere Frau humpelte; von ihrer rechten Hand tropfte Blut auf den Boden. Sie hatte Angst, das war unübersehbar. Nicht um das Buch, sondern um ihren Sohn, der von dem Wahnsinnigen unter die Erde verschleppt worden war.
    Doch Alessandro Farnese drängte. «Wo ist der Bursche? Und wo ist nun dieses Buch? Besitzt es wirklich Macht?»
    Griet warf dem Fürsten einen gereizten Blick zu, dabei war ihr klar, dass er sich im Kampf um die Macht keine Schwächen leisten durfte. Er würde Griet nie verstehen, aber darum ging es ihr auch nicht. Sie war schon dankbar, dass er zur Kirche gekommen war.
    Als Griet ihn fragte, wer ihn alarmiert hatte, sah sie zum ersten Mal die Andeutung eines Grinsens auf seinem Gesicht. «Euer Vater hat mich verständigt. Schaut, dort kommt er mit dem Priester. Er hat keine Ruhe gegeben, bis ich ihn empfing. Dann tischte er mir eine Geschichte auf, die sich so absurd anhörte, dass ich gar nicht anders konnte, als mit ein paar Männern zur Sint-Walburgakerk zu gehen.»
    Sinter brachte ein schwaches Lächeln zustande, als er seine Tochter umarmte. «Verzeihst du einem alten Narren, der den Kopf verloren hat?»
    «Hättest du ihn nicht verloren, wären wir jetzt vielleicht tot», antwortete sie leise. «Rink nahm an, du seist dort unten umgekommen. Demnach hast du doch den besseren Ausgang genommen.»
    Ihr Vater zuckte flüchtig die Achseln. Er beobachtete, wie die Männer des Statthalters die Kirche durchsuchten. «Die Druckerei war leer. Da dachte ich mir schon, dass er in der Kirche auf euch lauert. Ich sah keinen anderen Weg, als Farnese …»
    Ein Soldat, der laut nach seinem Befehlshaber rief, unterbrach ihn. Der Fürst drehte sich um.
    «Habt ihr schon eine Spur von den beiden gefunden?» Farnese war noch verwirrt von den Neuigkeiten. Er war von Cäcilia in aller Eile darüber aufgeklärt worden, wie sehr der Mittelpunkt der Stadt unterirdisch ausgehöhlt war.
    Der spanische Soldat räusperte sich. Seine Stimme klang belegt, als er sagte: «Ihr solltet unbedingt mitkommen und es Euch mit eigenen Augen ansehen!»
    Griet überfiel ein Gefühl von Beklemmung, als ihr der Statthalter die Hand reichte, um ihr über die Stufen in die Krypta hinunterzuhelfen. Die Kälte, die ihr entgegenschlug, erinnerte sie an die Angst, die sie vor kaum einer halben Stunde um Basse und die anderen ausgestanden hatte. Und jetzt Don Luis – lebte er noch, oder lag er schon tot irgendwo dort unten? Sie durften keine Zeit verlieren. Cäcilia drückte ihre Hand. Ihr musste es ähnlich ergehen, nein, schlimmer noch. Tobias war hier unten gestorben. Griet hatte mit ihr noch gar nicht darüber sprechen können. Cäcilia straffte die Schultern, vermied es, in die Richtung zu schauen, in der der blutüberströmte Körper des Mannes lag.
    Der spanische Soldat, der Farnese benachrichtigt hatte, wandte sich zu Griet um und hielt seine Fackel höher. «Señora! Schaut!»
    Er trat vor die Wand, an der die schweren Grabplatten hingen, und zündete mit seiner Fackel eine Wachskerze an, die er in einer Nische auf einem schmucklosen Altar fand. Griet erkannte auf Anhieb, was der junge Mann ihr zeigen wollte. Eine
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