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Die Stadt der schwarzen Schwestern

Die Stadt der schwarzen Schwestern

Titel: Die Stadt der schwarzen Schwestern
Autoren: Guido Dieckmann
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allein eine Stunde benötigt hatte. Als ihm bewusst wurde, dass Griet seine Blutergüsse und Kratzer sah, errötete er. Griet nahm ihm das Hemd aus der Hand und half ihm, obwohl sie der Meinung war, dass er eigentlich noch das Bett hüten musste. Sein Arzt fand das auch. Seiner Meinung nach hatte der junge Spanier großes Glück gehabt und sollte der heiligen Jungfrau danken, dass er noch am Leben war. Eine Rippe war angebrochen, was ihm beim Atmen große Schmerzen bereitete. Tagelang hatte er nicht auf der Seite liegen können. Der linke Arm musste geschient werden, außerdem sah sein Gesicht schrecklich zugerichtet aus. Aber diese Wunden würden verheilen, zumal Don Luis in der Burg von Margarethe von Parma die beste Pflege bekam. Margarethe selbst erkundigte sich mehrmals am Tag nach ihm und schien zufrieden mit den Fortschritten, die seine Genesung machte. Griet schrieb dies alles einem Wunder zu – Gott oder vielleicht sogar doch dem Buch, obwohl Cäcilia das abstritt. Cäcilia war so fürchterlich vernünftig geworden, seit sie sich nicht mehr für das Buch verantwortlich sah. Sie beharrte darauf, dass Pieter Rink in dem Moment, als sich die schwere Platte gelöst hatte, auf ihren Sohn gefallen war und ihn unter sich begraben hatte. Sein Körper hatte die Wucht des Aufpralls aufgefangen und Don Luis das Leben gerettet. So und nicht anders hatte es sich gemäß Cäcilia zugetragen.
    «Ich habe Basse versprochen, ihm die verlassenen Wespennester zu zeigen, die oben im Dachgebälk hängen», erklärte Don Luis keuchend, während er sich in der schlichten Schlafkammer nach seinen Stiefeln umsah.
    Wespennester? Griet starrte ihn ungläubig an. «Könnte es sein, dass deine Kopfverletzung …»
    «Unsinn, da oben funktioniert alles bestens. Ich bin übrigens froh, dass du dich entschieden hast, für das Kind deiner Magd zu sorgen. Das ist sehr großherzig von dir.»
    Griet errötete. «Was hat das mit Großherzigkeit zu tun? Die Kleine ist eine Marx, Basses Schwester. Sie kann nichts dafür, dass ihr Vater die Leichtgläubigkeit ihrer Mutter ausgenutzt hat. Sie wird die beste Erziehung bekommen, die ich mir leisten kann.» Was Griet nicht erwähnte, war, wie viel Liebe sie schon jetzt für das kleine Mädchen empfand. Was auch geschah, sie würde Willems Kind nicht mehr hergeben; und sollte Fürstin Margarethe sie wegen ihrer Schulden in den Turm werfen lassen, würde sie gute Menschen finden, die für ihre Kinder sorgten.
    «Du willst doch hoffentlich keine Heilige werden und in einen Orden eintreten wie meine Mutter?», neckte Don Luis sie.
    «Keine Angst, ich bin weit davon entfernt, eine Heilige zu sein. Heilige ärgern sich nicht über belanglose Dinge.»
    «Dann habe ich ja Glück gehabt. Heilige sind so anstrengend. Wusstest du, dass die heilige Eleonore das Heer ihres Mannes anführte, während der in Gefangenschaft saß?»
    «Solltest du eines Tages von mir verlangen …»
    «Ich liebe dich, Griet», fiel ihr Don Luis ins Wort. Er lächelte verschmitzt, als er sah, wie sie verlegen den Blick niederschlug. Dann küsste er sie, lang und leidenschaftlich, bis ihr der Schweiß aus allen Poren trat.
    «Nun, ich bin froh, dass ich keine Gedächtnislücken habe», flüsterte er. «Ich habe dir die drei Worte schon einmal gesagt, in der Kirche, als Rink mich fortzerrte. Lautlos zwar, aber ich war mir sicher, dass du sie verstanden hast.»
    Bevor sie etwas erwidern konnte, stürmte Basse in die Kammer und richtete ihr aus, dass die Fürstin auf dem Weg sei, um ihm Gottes Segen für die bevorstehende Heilige Nacht zu wünschen.
    «Auch das noch!» Don Luis verzog sein Gesicht. «Ich kann Margarethe von Parma doch nicht in dieser Kammer empfangen. Wenn du mich stützt, werde ich es bestimmt hinunter in die Halle schaffen. Es ist ja nicht weit.» Griet berührte zögernd ihren Arm. In der Sint-Walburgakerk hatte sie sich eingebildet, ihn wieder zu spüren. Es war mehr als nur ein Zucken gewesen. Sie meinte, die Waffe, die sie Rink entwendet hatte, in der gefühllosen Hand gehalten zu haben. Ein wenig später aber war der Zweifel zurückgekehrt, und dieser Zweifel war so mächtig, dass sie sich nicht traute, ihren Arm und die Hand zu bewegen.
    Seit sie in Namur angekommen waren, lebte sie in einem Zustand zwischen Hoffen und Bangen. Die Sorge um Don Luis und die Aufregung darüber, bald vor Fürstin Margarethe das Scheitern ihres Geschäfts mit den Sicherheitsbriefen eingestehen zu müssen, drängten alles Übrige in
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