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Die Stadt der gefallenen Engel

Die Stadt der gefallenen Engel

Titel: Die Stadt der gefallenen Engel
Autoren: Rainer Wekwerth
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hatte ihren neuen Kollegen eingeladen. Lara lächelte. Offensichtlich war das Ganze doch mehr als nur eine rein berufliche Beziehung, mochte ihre Mutter auch immer wieder betonen, dass sie und Thorsten Stegemann nur Kollegen waren.
    Lara freute sich für sie, denn die letzten Wochen waren für sie bestimmt nicht leicht gewesen. Laras Großvater war während ihres Berlin-Aufenthalts an Herzversagen gestorben und ihre Großmutter litt noch immer unter ihrer schweren Krebserkrankung. Allerdings ging es ihr inzwischen auf unerklärliche Weise viel besser, sodass die Ärzte zum ersten Mal sogar eine Heilung in Betracht zogen. Eigentlich ein kleines medizinisches Wunder, da sich der Hirntumor zusehends verkleinerte und auch keine Metastasen bildete. Ihre Mutter hatte dafür gesorgt, dass Martha in einer Rehabilitationsklinik untergebracht wurde, damit sie sich wieder vollkommen erholen konnte.
    Rachel war nach Berlin geflogen, um die Trauerfeierlichkeiten für ihren Vater zu organisieren und an der Beerdigung teilzunehmen. Lara war so erleichtert gewesen, als ihre Mutter nach Berlin gekommen war. Gemeinsam hatten sie sich um Martha gekümmert und Lara hatte die beiden in der Klinik oft alleine gelassen. Sie wusste, dass sie auf dem besten Weg waren, wieder zueinanderzufinden. Mittlerweile dachte ihre Mutter sogar daran, Martha nach ihrer Entlassung aus der Klinik nach Rottenbach zu holen, damit sie sich um sie kümmern konnte.
    Lara war glücklich über diesen Wandel in der Beziehung der beiden und freute sich darauf, ihre Oma vielleicht bald in der Nähe zu haben. Aber trotz dieses Glücks vermisste sie ihren Großvater und sein plötzlicher Tod schmerzte sie.
    Berlin hatte sie verändert. Sie fühlte sich reifer und ruhiger. Irgendwie erwachsener. Auch wenn sie nicht sagen konnte, warum. Ihre Erinnerung an Berlin war merkwürdig verschwommen, so als habe sie manches nur geträumt. Sie erinnerte sich an die Straßen in der Großstadt, an die Plätze, die sie besucht hatte, und an den weiten Himmel Berlins, an ihren Einkaufsbummel und vieles andere, aber manches schien auch einfach aus ihrem Gedächtnis verschwunden zu sein. Lara schrieb das dem Schmerz über den Verlust eines geliebten Menschen zu.
    Zurück in Rottenbach, hatte sie sich in ihr altes Leben gestürzt. Sie war zur Schule gegangen und hatte sich darauf gefreut, endlich wieder etwas mit ihren Freundinnen zu unternehmen. Neugierig hatten sie Lara über Berlin ausgefragt und wollten wissen, ob sie über die Trennung von Ben hinweg war. Doch Jungs waren im Moment das Letzte, worüber Lara sprechen wollte. Ben hatte ein paarmal versucht, bei ihr anzurufen, aber sie empfand nichts mehr für ihn. Die gemeinsame Zeit schien unendlich weit zurückzuliegen und Lara blickte mit einer merkwürdigen Distanz auf ihre Beziehung. Das alles war Vergangenheit und sie wollte sich nun auf die Dinge konzentrieren, die vor ihr lagen.
    Vor wenigen Tagen hatte sie ihren achtzehnten Geburtstag gefeiert. Ihre Freunde hatten sie mit einer Party überrascht; ihr selbst war gar nicht nach Feiern zumute gewesen. Aber es war toll gewesen und Lara musste grinsen, als sie daran dachte, wie sie mit Jasmin und Simone am nächsten Tag eine kleine Spritztour gemacht hatte. Sie hatte jetzt endlich den Führerschein und bald würde sie ihr Abi machen. Sie wusste zwar noch nicht genau, was danach kam, aber die Zeit, die vor ihr lag, schien voller Versprechungen zu sein. Zufrieden ließ sich Lara in die weichen Kissen sinken.
    Ihr Blick schweifte erneut zum Fenster hinaus und für einen Moment hatte Lara das Gefühl, dort unten im Schneetreiben einen Mann zwischen den Bäumen zu sehen, der zu ihrem Fenster heraufsah. Ein Mann mit dunklen Haaren und weißer Kleidung, die sich kaum vom Schnee abhob. Er schien zu lächeln, als er sie entdeckte, und dieses Lächeln rief ein warmes Gefühl in ihr hervor.
    Verwirrt kniff Lara die Augen fest zusammen. Als sie sie wieder öffnete, war der Garten menschenleer. Sie musste sich getäuscht haben. Da war niemand. Die Schneedecke zwischen den kahlen Obstbäumen war makellos und unberührt.
    Lara schüttelte den Kopf. In letzter Zeit hatte sie öfters Visionen und sie sah Bilder in ihren Träumen, die sie sich nicht erklären konnte. Aber vielleicht war das ja auch ganz normal, schließlich stand ihr Leben vor einem wichtigen Wendepunkt. Bald würde sie die Schule abschließen und etwas ganz Neues beginnen.
    Von unten rief ihre Mutter herauf, ob sie ihr helfen
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