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Die Spur des Verraeters

Die Spur des Verraeters

Titel: Die Spur des Verraeters
Autoren: Laura Joh Rowland
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deshalb gingen die Verbrecher sofort mit gezückten Klingen auf Sano und Hirata los. Auf ihren verzerrten Gesichtern spiegelte sich Mordlust, gepaart mit Furcht.
    »Das Haus ist umstellt«, rief Sano. »Lasst die Waffen fallen, und ergebt euch, im Namen des Shogun!«
    Miochin lachte auf. »Ja! Sobald die Ochsen fliegen und die Schlangen reden!«, höhnte er. »Du wirst mich nicht verhaften, Mann, nur weil ich versuche, mir meinen Reis zu verdienen!«
    Mit wilder Wut griffen Miochin und dessen Kumpane Sano und Hirata an, die mit blitzenden Klingen die Hiebe parierten, jedoch rasch in arge Bedrängnis gerieten. Die Samurai-Polizisten, die draußen auf Posten standen, hörten nun die Kampfgeräusche und stürmten ins Haus. Sano kämpfte gegen den alten Miochin; die Klinge des Schwertprüfers sirrte blitzschnell durch die Luft. Er zwang Sano immer weiter in die Defensive, drängte ihn bis hinaus auf den Hof. Nur mit größter Mühe parierte Sano die Hiebe und Stiche des Gegners, während er einen Sandhügel umkreiste, auf dem sich ein Bambusgestell befand, an dem die Leichen bei Schwertproben festgebunden werden konnten. Er stolperte über einen Haufen bleicher Knochen, bewahrte sich aber durch einen Überschlag rückwärts vor einem Sturz. Der Salto trug Sano über einen steinernen Herd hinweg, in dem Miochin offenbar die Überreste der Leichen verbrannte, die er sich durch Mord oder Diebstahl beschaffte. Sano landete auf beiden Füßen, sprang vor und stach nach Miochin. Der parierte den Stoß, und im strömenden Regen prallten die Gegner im tödlichen Duell zusammen. Der Schwertprüfer kämpfte verbissen um sein Leben und seine Freiheit.
    Sano versank in einer Welt, in welcher der bestechliche bakufu , dem er diente, keine Bedeutung mehr hatte. Er vergaß den Shogun; er vergaß Aoi; er vergaß seine selbst auferlegte Einsamkeit. Ein letzter, sorgenvoller Gedanke Sanos galt seinen Männern, die mit wilder Entschlossenheit gegen die Leichendiebe und Miochins Söhne kämpften. Doch auch ihre Rufe und Schreie, das Klirren der Schwerter und die blitzschnellen, wirbelnden Bewegungen verschwanden schließlich aus Sanos Wahrnehmung, bis nur noch eines für ihn zählte: der Sieg über Miochin, den Mörder und Leichenschänder.
    Ein prickelndes Hochgefühl erfüllte Sano und schärfte seine Wahrnehmungsfähigkeit. Er erkannte, dass Miochins Stärken beim Schwertkampf die Finten und Paraden waren. Der Leichenschänder senkte seine Waffe, wollte scheinbar einen Stoß auf Sanos Magen führen, doch in der Bewegung des Zustoßens änderte Miochin die Richtung der Klinge. Sano parierte den Hieb, der ihm die Bauchdecke von links nach rechts aufgeschlitzt hätte, im letzten Augenblick. Bei seiner Gegenattacke fügte er Miochin eine Fleischwunde am Oberschenkel zu. Vor Schmerz schnappte der Schwertprüfer nach Luft, geriet aber nicht ins Wanken.
    Sano erkannte, dass er alles aufs Spiel setzen musste, wollte er diesen riskanten Kampf rasch beenden. Er beschloss, ein lebensgefährliches Wagnis einzugehen.
    Als Miochin sein Schwert mit beiden Händen packte, um scheinbar einen tödlichen Schlag von oben nach unten zu führen, vertraute Sano blind darauf, dass es sich um eine weitere Finte Miochins handelte. Irrte er sich, starb er auf schreckliche Weise. Sano wehrte sich mit aller Kraft gegen das instinktive Verlangen, das Schwert zu heben, um mit der Klinge den Kopf und die Schultern zu schützen; stattdessen senkte er die Waffe und schlug von links nach rechts zu.
    Sanos Manöver kam für Miochin so unerwartet, dass sein Leib von einer Seite zur anderen aufgeschlitzt wurde. Vor Schmerz und Entsetzen brüllte der Schwertprüfer auf. Reflexhaft vollführten seine Arme noch den Stoß nach Sanos Kehle, den er statt des fingierten Schlages von oben nach unten hatte führen wollen; dann verließ alle Kraft seinen Körper. Das Licht in seinen Augen erlosch, noch ehe er tot zu Boden stürzte.
    Sano trat zurück. Er sah, dass seine Männer – allesamt wohlauf und unverletzt – ihm zu Hilfe eilten. Miochins Söhne und die Leichendiebe lagen tot am Boden. Während Sano mehrmals tief durchatmete, um seine innere Anspannung zu lösen, hielt er das Schwert hinaus in den Regen, ließ Miochins Blut von der Klinge spülen und schob die Waffe dann in die Scheide. Wenngleich der Tod und das Töten die natürlichen Domänen eines Samurai waren, hasste es Sano, Leben zu nehmen, denn es brachte ihn in die Nähe zu den Mördern, die er jagte, und dieser
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