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Die Spur des Verraeters

Die Spur des Verraeters

Titel: Die Spur des Verraeters
Autoren: Laura Joh Rowland
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Gedanke bereitete ihm tiefes Unbehagen. Doch der Tod des Leichenschänders Miochin war notwendig und damit gerechtfertigt.
    » Sôsakan-sama .« Hiratas Stimme war kratzig, als er sich an Sano wandte, das Gesicht vor Schreck verzerrt. » Sumimasen – verzeiht, aber was Ihr da getan habt, war sehr gefährlich! Der Mann hätte Euch töten können. Es ist meine Pflicht, Euch zu beschützen. Ihr hättet Miochin mir überlassen sollen.«
    »Schon gut, Hirata. Es ist vorbei.« Und ohne dass ich einen meiner Männer verloren hätte , den Göttern sei Dank! Immer noch schwer atmend, fügte Sano hinzu: »Wir werden auf dem nächsten Polizeirevier melden, dass wir dieses Räubernest ausgehoben haben. Die Beamten können Miochins Laden schließen, die Toten bergen und die gestohlenen Leichen ihren Familien zurückgeben.« Noch immer pumpte Sanos Herz die berauschenden Säfte des Sieges durch seine Adern. Miochins Mörderbande würde nie wieder Reisende erschlagen oder trauernde Familien ihrer Toten berauben.
    Hirata riss den Saum von seinem Umhang und schnürte ihn fest um Sanos linken Unterarm, der aus einer Schnittwunde blutete, wie er jetzt erst bemerkte. »Bei den Göttern – Ihr braucht einen Arzt, sobald wir zurück im Palast von Edo sind!«
    Im Palast von Edo . Bei diesem Gedanken verflog Sanos Hochstimmung. Wenn er wieder im Palast war, würde er dem Shogun berichten und wieder einmal der Tatsache ins Auge sehen müssen, dass der Herrscher ein schwacher und grausamer Despot war. Bedrückt dachte Sano daran, dass er bald wieder sein einsames Leben in einer leeren Villa führen würde, von Langeweile und schmerzlichen Erinnerungen an Aoi geplagt.
    Bis eine neuerliche Suche nach Wahrheit und Gerechtigkeit seinem Leben wieder Sinn gab.
     
    Nach einer langen Nacht, die Sano, Hirata und die Mitglieder der Samurai-Spezialtruppe damit verbracht hatten, im Hauptquartier der Polizei Befehle auszugeben und Berichte zu schreiben, trafen sie am Morgen im Palast von Edo ein, der auf einer Hügelkuppe über der Stadt thronte. Tief hängende schwarze Gewitterwolken zogen über das riesige Bauwerk hinweg. Am Tor des Palasts, vor einer massiven, eisenbeschlagenen Tür in einer hohen steinernen Mauer, wurden Sano und seine Männer von Wachsoldaten durchgelassen und in das Labyrinth aus Gängen, Hallen und Kontrollstellen geführt.
    »Wir sehen uns zu Hause«, sagte Sano zu Hirata und bezog sich mit dieser Bemerkung auf seine Villa, die im Wohnviertel der Beamten innerhalb des Palastgeländes stand, auf dem auch Sano und seine Gefolgsleute lebten.
    Dann ging er über einen ummauerten Durchgang, der sich zwischen Wachtürmen, die mit bewaffneten Posten bemannt waren, den Hügelhang hinaufwand, und gelangte in den inneren Bereich der Palastanlage. Er durchquerte den Garten und blieb schließlich vor dem eigentlichen Palast des Shogun stehen, einem gewaltigen Bauwerk mit verputzten, weißgetünchten Mauern, geschnitzten hölzernen Türen, vergitterten Fenstern, grauem Ziegeldach und ungezählten Giebeln, Erkern und Türmchen.
    »Ich bin sôsakan Sano Ichirō«, sagte er zu den Wachsoldaten, die vor dem Eingang postiert waren. »Ich möchte seiner Hoheit Bericht erstatten.«
    Die Wachsoldaten verbeugten sich und öffneten Sano die Tür, ohne ihn aufzufordern, seine Schwerter abzugeben oder ihn nach versteckten Waffen zu durchsuchen, denn Sano hatte sich das bedingungslose Vertrauen des Shogun erworben. »Geht durchs Tor bitte in den inneren Garten, Herr«, sagte der ranghöchste Wachsoldat respektvoll.
    Sano schritt über die Flure mit ihren Böden aus Zypressenholz und kam an den Schreibstuben der Regierungsbeamten vorüber, die in den nach außen gelegenen Zimmern des Gebäudes untergebracht waren. Durch eine Schiebetür, die von weiteren Posten bewacht wurde, gelangte Sano wieder ins Freie und folgte einem gepflasterten Gehweg, der durch Tokugawa Tsunayoshis private Gartenanlage führte. Die dicht bewachsenen Äste und Zweige der Fichten hingen schwer und taufeucht in der schwülwarmen Luft; Lilien verströmten ihren berauschend süßen Duft; Bienen summten träge, und tote Ahornblätter trieben langsam auf der schimmernden Oberfläche eines künstlich angelegten Teichs. Über dem Palast hatten sich schwarze Unwetterwolken vor dem Hintergrund des bleigrauen Himmels aufgetürmt – ein Bild wie eine schwarz-weiße Tuschezeichnung auf nassem Papier. In der Ferne grollte Donner. Die beklemmende Atmosphäre verstärkte das Gefühl des
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