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Die Spur des Verraeters

Die Spur des Verraeters

Titel: Die Spur des Verraeters
Autoren: Laura Joh Rowland
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hatten, obwohl Yanagisawa diesen Leuten untersagt hatte, Sano zu helfen. Überdies wurde er auf Schritt und Tritt von den Spitzeln des Kammerherrn verfolgt.
    Dennoch waren die Versuche Yanagisawas, seinen Rivalen in Misskredit zu bringen, bislang fehlgeschlagen – ebenso mehrere Mordanschläge, die der Kammerherr heimlich in Auftrag gegeben hatte. Als Sano in den Wäldern für den Shogun auf ›Geisterjagd‹ gewesen war, hatten verborgene Schützen ihn mit Pfeilen beschossen, und einmal wäre er um ein Haar niedergeritten und von den Hufen eines Pferdes zerstampft worden. Doch Sano hatte diese Anschläge überlebt und erfreute sich nach wie vor der Gunst Tokugawa Tsunayoshis, der mit für ihn ungewöhnlicher Treue an seinem sôsakan festhielt, ständig dessen Dienste in Anspruch nahm und häufig dessen Gesellschaft suchte.
    Nun aber erstarrte Sano vor Schreck, als Yanagisawa erklärte: »Seine Hoheit ist an einem Fieber erkrankt, das strengste Ruhe erfordert. Er darf niemanden empfangen – abgesehen von mir, natürlich.« Yanagisawas schön geschwungene Lippen verzogen sich zu einem boshaften Lächeln. »Ich werde seiner Hoheit die Nachricht vom Tod des Schwertprüfers Miochin überbringen. Wie aus offiziellen Quellen verlautet, wurden Miochin und seine Bande von einer Samurai-Spezialtruppe überwältigt und getötet – eine Truppe, die unter meinem Befehl steht und die ich auf die Fährte dieses Verbrechers gebracht habe.«
    In Sanos Innerem loderte Zorn auf, doch als er sah, dass die fünf Ältesten mit gespannter Vorfreude darauf warteten, dass er die Beherrschung verlor, riss er sich zusammen. »Ihr könnt die Wahrheit nicht für immer verstecken, ehrenwerter Kammerherr«, sagte er gelassen. »Sobald der Shogun wieder gesund ist, werde ich ihm berichten, was wirklich geschehen ist.«
    Kammerherr Yanagisawa tauchte den Schreibpinsel ins Tuschefässchen und malte mit raschen, schwungvollen Bewegungen drei Schriftzeichen auf das neue Blatt Papier, das der Diener ihm hingelegt hatte. Sano erkannte die Zeichen für Erfolg , Wind und Baum .
    »Zu meinem Bedauern muss ich Euch mitteilen, dass Ihr nicht mehr hier sein werdet, wenn seine Hoheit sich von dem Fieber erholt hat.« Kammerherr Yanagisawa schob das Blatt Papier zur Seite, nahm vom Diener ein neues entgegen, und tauchte den Pinsel wieder in das Tuschefässchen. »Weil ich einen Auftrag für Euch habe, der Euch sehr weit fort von Edo führt.«
    Und fort vom Shogun – und hinein in Yanagisawas riesigen Machtbereich. Furcht stieg in Sano auf; ihm brach so heftig der Schweiß aus, dass sein Kimono unter den Achseln und am Rücken feucht wurde. Die fünf Ältesten starrten ihn an. Doch Sano erwiderte mit fester Stimme: »Ihr dürft mich nicht fortschicken. Ich selbst werde dem Shogun berichten. Ich bin nur ihm verpflichtet, nicht Euch.«
    Yanagisawa lachte, und die fünf Ältesten fielen ein. »Da seine Hoheit erkrankt ist, trage ich jetzt die Verantwortung. Ich kann tun und lassen, was mir gefällt. Und ich will, dass Ihr Euch auf eine Inspektionsreise nach Nagasaki macht.«
    »Nagasaki?«, wiederholte Sano entsetzt. Die Hafenstadt im Westen des Landes war zwei Monatsreisen von Edo entfernt. Die Hin- und Rückfahrt mit dem Schiff sowie der Aufenthalt konnten gut ein Jahr in Anspruch nehmen – ein Jahr Zeit für Yanagisawa, Sanos Ruf zu zerstören, den Shogun gegen ihn aufzubringen und Sano seines Amtes zu berauben. Doch Sano wusste, dass ihm noch viel Schlimmeres drohte, nämlich der Verlust seiner Ehre und seines Lebens.
    »Der Auftrag scheint Euch nicht besonders zu gefallen, sôsakan «, sagte Kammerherr Yanagisawa voller Spott und ironischer Erheiterung. »Wieso eigentlich nicht? Nach Nagasaki versetzt zu werden ist doch keine Schande. Und Eure Aufgabe dort besteht lediglich darin, zu überprüfen, wie es um die Festigkeit der Herrschaft des Shogun, um den Handel mit den Ausländern und um die Stimmung unter den Bürgern bestellt ist.«
    Yanagisawa malte dieselben Schriftzeichen wie vorhin – Erfolg , Wind , Baum – auf das leere Blatt Papier; dann bedeutete er dem Diener, ihm ein weiteres Blatt zu reichen. »Es ist eine leichte Aufgabe. Außerdem ist es Euch gestattet, einen Anteil an den Gewinnen aus dem Handel mit den Ausländern zu behalten. Ihr werdet für längere Zeit ein ruhiges und beschauliches Leben an der wunderschönen Küste von Kyûshû führen.«
    Sano wollte weder Geld noch ein beschauliches Leben, und am wenigsten einen so unbedeutenden
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