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Die Spur des Tieres

Die Spur des Tieres

Titel: Die Spur des Tieres
Autoren: Vampira VA
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vollführte eine einladende Geste vor den Tieren und wies auf die Drei, die sich nun fast schon eine einzige monströse Gestalt teilten.
    »Gebt ihnen die Kraft!« rief Belier.
    Und die Spinnen setzten sich von neuem in Bewegung.
    Einer dunklen Masse gleich krochen sie die beiden Stufen hinauf und dann um die widerwärtige Gestalt herum. Erst als sie den Kreis am Boden geschlossen hatten, überwanden die Spinnen den handbreiten Streifen, den sie um die Dreigestalt freigelassen hatten - - und schließlich krabbelten sie an ihr empor. Und um sie herum.
    Für Tobias sah es aus, als fließe dunkler Schlamm an der absonderlichen Gestalt hinauf.
    Aber die Tiere taten freilich noch viel mehr, als nur über sie hinwegzukriechen.
    Sie spannen die verwachsene Dreigestalt ein.
    Erst waren es weißgraue Bänder, die sich um sie legten. Dann, in Windeseile fast, wuchsen diese Bänder in die Breite und aufeinander zu, bis sie eins wurden. Immer geringer wurde der sichtbare Teil der Gestalt, bis sie endlich zur Gänze in einen klebrigen Kokon eingewoben war, dessen einzelne Fäden glommen und schimmerten, als bestünden sie aus fahlem Licht.
    Auf Beliers Wink hin zog sich das Spinnengetier zurück, verschwand im Gewimmel der Netze ringsum und zwischen den Bänken, wo es eilends, beinahe wie besessen damit begann, neue Gespinste zu weben.
    Der menschengroße, unförmige Kokon am Altar stand reglos da. Sekundenlang.
    Dann geschah etwas mit ihm.
    Im allerersten Moment fiel es nicht einmal auf. Erst nach einer Weile erkannte Tobias Stifter, daß er sich nicht getäuscht hatte.
    Die grauweiße, wie Sternenlicht schimmernde Hülle bewegte sich. Indes ohne sich von der Stelle zu rühren. Nein, sie - blähte sich. Wie eine Lunge, in die gierig Atem gesogen wurde. Oder - als schlüge ein monströses Herz in dem Balg.
    Und das Ding - wuchs.
    Kaum merklich. Aber stetig.
    Und mit jedem Stück, das der Kokon sich ausdehnte, verblaßte das Schimmern seiner Fäden. Als erlösche die »Kraft« darin.
    Tobias glaubte, etwas wie fernes Stöhnen zu hören, das wieder verwehte, um dann aber schon von anderem ersetzt zu werden. Die Laute erinnerten ihn an jene Nacht, in der seine Eltern hingeschlachtet worden waren. Als ihnen der letzte Atemzug von den Lippen gekommen war, hatte es ganz ähnlich geklungen .
    Nein, nicht ähnlich -, fuhr es ihm wie ein glühender Schnitt mitten hinein in die Brust und tiefer - -  genau so!
    Sein nächster Eindruck war noch absonderlicher, schlicht unmöglich.
    Denn einer dieser Laute, die unhörbar und doch wahrnehmbar in der Luft schwebten, schien ihm vertraut. Er hatte ihn schon häufiger vernommen, ganz nah an seinem Ohr, immer dann - - wenn die schöne Kristine nach höchster Lust in seinen Armen niedergesunken war .
    NEIN! schrie es in ihm. Das konnte nicht sein! Und doch wußte er, daß es so war; wußte es mit größerer Bestimmtheit als er je zuvor etwas gewußt hatte.
    »Ihr Teufel«, entfuhr es ihm heiser, und der Zorn in seinen Worten erschreckte ihn selbst, weil er nicht gespürt hatte, wie er in ihm aufgestiegen war. Aus jenen dunklen Winkeln, in denen er diesen Zorn und die besondere Macht selbst, die ihn zu schüren imstande war, zu halten und einzukerkern versuchte.
    Als Tobias sich hinter der Emporenbrüstung aufrichtete, war ihm, als beobachtete er sich selbst dabei wie ein Unbeteiligter. Und er tat es mit eisigem Schrecken in der Seele.
    Was, im Namen des Herrn, war er da nur drauf und dran zu tun?
    »Das werdet ihr büßen«, hörte Tobias Stifter sich selbst knurren, »und wenn's das Letzte ist, was ich tu' in diesem verfluchten Leben!«
    Er sah hinab. Noch hatte ihn niemand bemerkt. Er schätzte die Entfernung zum Boden und befand, daß sie mit einem kühnen Sprung zu überwinden war. Er mußte nur achtgeben, daß er im Gang und nicht zwischen den Bänken aufkam.
    Sein Blick ging vor zum Altar, wo der graue Balg sichtlich gedunsen war, fast zu doppelter Mannshöhe. Aber noch immer pulste es darin, während nur noch einzelne Fäden der Hülle glommen. Wenn der letzte erloschen war ...
    Tobias wußte, daß es dann zu spät sein würde. Daß er bis dahin etwas getan haben mußte.
    Er wußte nicht, was er da zu verhindern trachtete. Ebensowenig wie er wußte, wie es anzustellen wäre.
    Mit einer willentlichen Anstrengung trennte er die letzten Fesseln, die den Zorn noch tief in ihm hielten. Wie angetrieben von dieser Kraft sprang er in die Tiefe - inmitten eines Regens vielfarbiger
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