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Die Spur des Tieres

Die Spur des Tieres

Titel: Die Spur des Tieres
Autoren: Vampira VA
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zur Klage hier gegeben.
    Dann jedoch war die Stunde gekommen, in der die Loge ihren Teil des Handels zu erfüllen hatte. Charles Belier hatte die betreffenden Männer zu sich befohlen und - Balthasar Auer spürte würgende Übelkeit in seiner Kehle aufsteigen, als er sich dieser Nacht entsann. Bittere Galle sammelte sich stechend auf seiner Zunge, ätzte seinen Gaumen.
    Belier, von plötzlichem Siechtum gezeichnet, hatte sich in ihrer Gegenwart übergeben, hatte die Saat erbrochen, die sie, die Logenbrüder, in die Häuser zu tragen hatten.
    Spinnen.
    Hunderte von dürrbeinigen Spinnen waren über die Leiber der Männer gekrochen, nachdem sie von Charles Beliers Lippen gefallen und zu ihnen hingekrabbelt waren. Einem jeden von ihnen hatte Be-lier die Häuser bezeichnet, das er aufsuchen sollte, um seine wimmelnde Last dort abzuladen.
    So war es geschehen.
    Stille hatte sich ausgebreitet in all jenen Häusern um die Heiliggeistkirche.
    Und heute Nacht nun war er (waren sie!) zurückgekehrt nach Heidelberg, um aus dieser Stille neue Kraft zu schöpfen. Nachdem sie ihre alte Macht allerorten hinterlassen hatten, um sich selbst den Boden zu bereiten, den sie als der Eine betreten würden, um darüber zu herrschen.
    Dies war die Nacht der Zusammenkunft und der Vereinigung des Dreigestaltigen.
    So hatte Charles Belier sie genannt.
    Sie würde die Welt draußen verändern. Und dem Tod die Türen öffnen in Heidelberg, hinein in all jene Häuser, in denen bislang nur des Todes Bruder, der Schlaf, geherrscht hatte.
    Balthasar Auer schrak auf, und mit ihm rissen auch viele der Verbündeten, die um ihn her saßen und wohl ähnlichen Gedanken nachgehangen hatten wie er, die Köpfe hoch.
    Die Lautstärke von Beliers Stimme hatte sich verändert, war gewachsen, und sein Ton war befehlend gegenüber dem unheimlichen Weibe, das er vorhin »Mutter« geheißen hatte.
    »Geh und öffne das Tor!« wies er sie herrisch an. Seine totenbleiche Hand wies zum Kirchenportal hinab.
    Ohne ein Widerwort schritt die »Gläserne« den Mittelgang entlang, erreichte die Pforte, öffnete deren Flügel - - und ließ die wimmelnde Schar knisternder Leiber ein.
    *
    Tobias Stifter hatte so manches Mal gehört, wie jemand erzählt hatte, daß ihm das Blut in den Adern geronnen wäre.
    Jeder einzelne von ihnen mußte gelogen haben.
    Denn wie es war, wenn einem tatsächlich alles Blut stockte und jede Ader verstopfte, anstatt darin zu fließen, konnte keiner von denen je wirklich erlebt haben. Weil's kaum zu überleben war.
    Er selbst indes wußte, was es hieß.
    Seit ein paar Minuten.
    Nichts an Tobias Stifter erinnerte mehr an den Bruder Leichtfuß, als der er in den Augen der Heidelberger stets gegolten hatte. Entsetzen hatte die Lebenslust aus seinen Zügen getrieben, und die Weichheit der Jugend darin war harten Linien gewichen. Angst und Grauen hielten den jungen Burschen wie Fieber gepackt und rüttelten ihn durch, während er oben auf der Empore der Heiliggeistkirche hockte und den flackernden Blick unverwandt über die Brüstung hinab gerichtet hielt.
    Liebend gern hätte er weggeschaut und sich verkrochen in irgend-einen Winkel, um nicht länger mitansehen zu müssen, was dort drunten an Ungeheuerlichem seinen Lauf nahm. Aber er konnte es nicht, kam nicht an gegen die Lähmung, die ihn erfaßt hatte und die nicht einmal sein übermächtiger Wille, dem sonst nichts und nie etwas gewachsen war, zu überwinden vermochte.
    Und so hockte er nur starr da, so wie er es tat, seitdem er aus Beliers Haus geflohen und der gespenstischen Prozession zur Kirche her gefolgt war. Er hatte die Rede des Tuchhändlers mitangehört, der ihn aufgenommen hatte, nachdem Tobias eine grausige Entdeckung gemacht hatte und mit Balthasar Auer aneinander geraten war.
    Bis vor kaum einer Stunde hatte der Junge gemeint, Charles Belier habe ihn schützen wollen vor dem Zugriff des Auers und des Henningers und wer auch immer noch mit ihnen unter einer Decke steckte, unter der sie gar Schreckliches treiben mochten. Inzwischen hatte Tobias jedoch auf furchtbare Weise erfahren, daß der Händler selbst mit all dem zu schaffen hatte, dem Anschein nach sogar die treibende Kraft war.
    Tobias schluckte bitteren Speichel, der sich ihm im Munde sammelte, als er daran dachte, daß er scheint's auf ewig verflucht war. Seit jenem Tage, da der Krieg nach Heidelberg gekommen war und ihm die Eltern vor den unschuldigen Augen erschlagen worden waren. Sein Leidensweg schien nimmermehr enden zu
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