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Die Spur der Hebamme

Titel: Die Spur der Hebamme
Autoren: Sabine Ebert
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kochte irgendetwas gegen Husten. Der Geruch war ihm vertraut, aber auch nach so vielen Jahren wusste er immer noch nicht genau: War das nun Thymian, oder was für Zeug rührte sie da zusammen? Ihre Fingerspitzen waren ganz grün wie meistens bei diesen Gelegenheiten.
    »Wie geht es den Kindern von Emma und Jonas?«, erkundigte er sich, nachdem Thomas seine Mutter stürmisch begrüßt hatteund ihr aufgeregt von den gruseligen Geschichten erzählte, die Kuno ihm aufgetischt hatte.
    »Noch ist das Fieber nicht hoch«, berichtete Marthe, während sie weiter Kräuter zerkleinerte. »Emma ist zum Glück rechtzeitig gekommen.«
    Sie wirkte bedrückt. Christian wusste, dass sie sich Vorwürfe machte, die Kinder nicht gerettet zu haben, die am Fieber gestorben waren. Kinder und Alte starben immer zuerst bei Epidemien. Aber es gab kaum Alte in ihrem jungen Dorf.
    Den gefahrvollen Weg nach Osten in die Fremde, in ein unbekanntes, erst zu erschließendes Land, hatten fast ausnahmslos junge, kräftige Leute auf sich genommen, um sich hier ein besseres Leben aufzubauen.
    »Du tust, was du kannst«, versuchte er sie zu trösten. »Alle kannst du nicht retten.«
    Er nahm ihr das Kräutermesser aus der Hand und sagte: »Aber ich weiß von jemandem, den du retten kannst. Bist du bereit für ein kleines Wagnis?«
    Während er ihr seinen Plan erklärte, sah er, wie wieder Leben in ihre Gesichtszüge kam, sich abwechselnd Zorn und Unternehmungslust darin spiegelten.
    »Ich werde Johanna sagen, dass sie das hier fertigmachen soll«, meinte sie, wischte sich die Hände ab und holte den prachtvollen Umhang, den Christian ihr geschenkt hatte.
     
    Zielstrebig ging Marthe auf das Viertel der Handwerker und Kaufleute zu, das in den letzten drei Jahren gewachsen war, seit zusätzlich zu Bauern und Bergleuten auch Seiler, Töpfer, Böttcher, Gürtler, Wagner und viele andere nach Christiansdorf gezogen waren. Nur die Gerber und die Seifensieder wohnten wegen ihres Gestank verbreitenden Gewerbes ein Stück abseits des Ortes. Die anderen Handwerker jedoch und die Kaufleutehatten unterhalb der Bauerngehöfte ihre Häuser gebaut und würden bald sogar ihre eigene Kirche haben, die prachtvoll zu werden versprach. Sie sollte dem heiligen Nicolai gewidmet werden, weshalb dieser Teil des Dorfes jetzt schon Nicolai-Viertel genannt wurde. Die Bergmannssiedlung hingegen hieß bei den Einheimischen »Sächsstadt«, weil die meisten Bergleute aus Sachsen kamen: aus dem Harz, der Kaiserstadt Goslar und vom Zellerschen Feld.
    Noch waren für die neue Kirche kaum mehr als die Fundamente gesetzt, über deren Tiefe Marthe immer wieder staunte. Die ersten Reihen Steine waren wegen der Kälte in Stroh verpackt. Aus den Bauhütten drang der Lärm der Steinmetzen, die Formen für die Schmuckelemente der Pfeiler bearbeiteten.
    Die Händler und Handwerker mussten gut verdienen, wenn sie sich eine Kirche aus Stein leisten konnten. Die beiden anderen Kirchen des Dorfes – die Erste, die die Siedler bald nach ihrer Ankunft errichtet hatten, und die dem heiligen Jakob geweihte Kirche in der Siedlung der Bergleute – waren schlichte Holzbauten.
    Marthe ging an der entstehenden Kirche vorbei und bog in eine der Gassen ein, durch die ein paar magere Hunde streunten. Hier hatte sich der Schnee schon in schmutzigen Matsch verwandelt, aber er verbarg immer noch den größten Teil des Unrates, der auf den Straßen lag.
    Betont gemächlich schlenderte sie die Gassen entlang und hielt dabei heimlich Ausschau. Sie kaufte beim Kerzenzieher einige Lichter, begutachtete bei der Frau des Töpfers Becher und Krüge und besprach mit ihr ein paar Muster, die sie haben wollte. Bald fühlte sie sich auf ihrem Weg von mehreren Augenpaaren beobachtet.
    Einen neuen Krug und das Bündel mit den Kerzen gut sichtbar vor sich hertragend, ging sie weiter zu dem Tuchhändler, dersich im Herbst hier niedergelassen hatte, und betrachtete seine Waren.
    »Meister Josef, ich will vier Ellen und nicht den ganzen Ballen kaufen«, rügte sie ihn, als er ihr einen viel zu hohen Preis nannte. Wortreich pries er die Qualität seiner Ware an und begann mit ihr zu feilschen. Marthe wusste, dass er sie übervorteilen wollte, weil er glaubte, bei Frauen leichtes Spiel zu haben. Unwirsch unterbrach sie seinen Redeschwall. »Macht mir einen deutlich besseren Preis, dann bestellen wir bei Euch. Mein Mann will zum Osterkirchgang den ganzen Haushalt neu einkleiden. Aber wenn Eure Ware zu teuer ist, kaufen wir bei
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