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Die Spur der Hebamme

Titel: Die Spur der Hebamme
Autoren: Sabine Ebert
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Ländereien nicht nur unter Aufsicht eines Verwalters zu lassen. In seiner Abwesenheit hatte seine Frau einen Sohn geboren, der fast auf den Tag genauso alt war wie ihr eigener.
    Marthe blickte auf und sah Christian ruhig in die Augen. »Das glaubst du selbst nicht. Wie viele Ritter hat Otto sonst noch ins Heilige Land geschickt? Und Otto braucht ihn – so wie der Kaiser den Löwen braucht. Es sind ihre mächtigsten Gefolgsleute, sie stellen bei Feldzügen den größten Heerbann. Also wird er ihm noch mehr Einfluss und Macht versprechen, um ihn in der Mark Meißen zu halten.«
    Sie holte tief Luft. »Du weißt es so gut wie ich. Es wird nicht lange dauern, bis Randolf wieder hier auftaucht. Gott sei uns allen gnädig.«

Gerichtstag
    Am nächsten Morgen wurde Marthe in aller Frühe zu der verzweifelten Emma gerufen, deren Kinder fieberten. Rasch griff sie nach dem Korb mit Salben und Tinkturen und lief zu der jungen Frau, die aus dem gleichen Dorf wie sie stammte und seit jeher ihre Freundin war.
    Auch Christian hielt sich nicht länger als nötig im Haus auf. Eine Menge Dinge waren zu regeln, bevor er wieder aufbrechen musste. Er trat vor die Tür und genoss den Anblick für einen Moment. Das Schneetreiben hatte aufgehört, die Sonne schien und brachte die weiße Schneedecke zum Funkeln, die unter jedem seiner Schritte knirschte.
    Ein dunkles Bündel huschte an ihm vorbei, stolperte und rollte prustend in den Schnee.
    »Hoppla!« Blitzschnell packte Christian den Jungen am Kittel und hielt ihn fest. Es war der kleine Christian – das erste Kind, das in diesem Dorf geboren worden war und auf Bitten der Eltern seinen Namen erhalten hatte. Inzwischen war er fast sechs Jahre alt.
    »Wie geht es deiner Mutter?«, erkundigte sich Christian.
    »Gut, Herr«, krähte der Kleine. Berthas Mann war jener Bergzimmerer gewesen, den Randolf unter falscher Anklage hatte hängen lassen. Der Bergmeister hatte sie danach bei sich aufgenommen, damit sie seinen Haushalt besorgte. Seine eigene Frauwar schon lange tot, seine Tochter hatte er verstoßen, nachdem sie Marthe als Hexe verleumdet und ihren Tod gefordert hatte. »Geh in mein Haus und lass dir von der Köchin etwas zu essen geben. Und trockne dich am Feuer«, wies Christian den Jungen mit gespielter Strenge an. Der bedankte sich strahlend und lief hüpfend zum Haus. Dem kleinen Christian wurde von den meisten Dorfbewohnern besondere Fürsorge zuteil – nicht nur, weil er Halbwaise war, sondern vor allem, weil die Menschen in ihm auch ein Symbol für das Gedeihen ihres neuen Heimatortes sahen.
    Christian ging weiter zu den Ställen und begrüßte seine Pferde.
    »Nimmst du mich mit? Du hast es versprochen«, hörte er hinter sich die helle Stimme seines Sohnes.
    Lächelnd drehte er sich um. »Sag Marie oder der Köchin Bescheid, damit dich niemand sucht.«
    Begeistert rannte Thomas durch den Schnee zurück ins Haus. Christian klopfte Drago, seinem Grauschimmel, auf den Hals. »Tut mir leid«, sagte er zu ihm, »aber mit diesem Irrwisch von Sohn muss ich ein anderes Pferd nehmen.«
    Auch wenn Drago bald zu alt sein würde, um einen Ritter in voller Rüstung zu tragen, so war er immer noch unberechenbar und duldete keinen anderen als Christian auf seinem Rücken. Um Thomas davon abzuhalten, den wilden Grauschimmel später einmal heimlich zu reiten, unterließ er es bewusst, ihn mit Drago zusammenzubringen.
    Er sattelte einen jungen Rappen mit überschäumendem Temperament. Nach Ansicht der meisten Menschen wäre auch dies kein Pferd, um einen Dreijährigen daraufzusetzen, doch Christian wollte, dass sein Sohn so früh wie möglich mit Pferden vertraut wurde. Und er selbst war ein so erfahrener Reiter, dass er sich zutraute, den übermütigen jungen Hengst zu einem zuverlässigenGefährten zu erziehen. Der Rappe war das Hochzeitsgeschenk seines Freundes Raimund, der Pferde züchtete und sich Drago mehrfach als Deckhengst ausgeliehen hatte. Mit dieser großzügigen Gabe hatte sich Raimund auch dafür bedankt, dass Marthe ihm einst nach einer schweren Verwundung das Leben gerettet hatte.
    Schon stand Thomas wieder neben ihm und sah ihn mit leuchtenden Augen an. Christian nahm seinen Sohn vor sich auf den Sattel und ritt zum westlichen Dorfeingang, wo die Wachen, die er eingestellt hatte, Quartier, Ställe und Übungsplatz hatten und ein paar junge Burschen aus dem Dorf als Verstärkung ausbildeten. Ein weiterer Wachturm stand am nordöstlichen Ausgang des Dorfes, von wo aus der Weg
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