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Die Spur der Hebamme

Titel: Die Spur der Hebamme
Autoren: Sabine Ebert
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nach Meißen führte.
    Die Männer waren mit Waffenübungen beschäftigt, als Christian ankam. Zufrieden begrüßte er Herwart, ihren Hauptmann, der einen guten Ritter abgegeben hätte, wäre er von edler Geburt. Er mochte schon an die vierzig Jahre alt sein, hatte viele Kämpfe hinter sich und war trotz seines Alters schnell mit dem Schwert.
    »Wie machen sich die neuen Leute?«, wollte Christian wissen. »Mit dem Maul behender als mit der Waffe«, erwiderte Herwart grinsend, während sich die Falten in seinem kantigen, wettergegerbten Gesicht noch vertieften.
    Er winkte zwei der Jungen heran, einen Rothaarigen mit unzähligen Sommersprossen und einen etwa Gleichaltrigen mit zerzaustem schwarzen Haar.
    »Ihr da, der Herr will wissen, was ihr inzwischen gelernt habt. Lasst mal sehen.«
    Die beiden traten näher und verbeugten sich. Kuno und Bertram waren zwei sechzehnjährige Burschen, die mit den ersten Siedlern hierhergekommen waren und vor Abenteuerlust nur so strotzten. Aber sie hatten sich in gefährlichen Situationen alstapfer erwiesen. So erfüllte Christian ihnen ihren brennenden Wunsch und ließ sie an den Waffen ausbilden. Der rothaarige Kuno war Waise; seine Ziehmutter, die alte Grete, war einst von Randolf erstochen worden, nachdem sie ihn verflucht hatte. Und die Eltern von Bertram – der ehemalige Dorfälteste und eben jene nörglerische Griseldis, die Christian am Vortag bei seiner Heimkehr aufgelauert hatte – wagten keinen Einspruch gegen Christians Entscheidung.
    Was den beiden abenteuerlustigen Burschen im Umgang mit Waffen an Übung fehlte, machten sie mit Ungestüm wieder wett. Wenigstens teilweise.
    »Ihr seid schneller geworden«, sagte Christian anerkennend. »Aber zu unvorsichtig.«
    Er löste den Schwertgurt, reichte Herwart seine Waffe und ließ sich einen der Stöcke geben, mit denen die Burschen übten. Dann rief er den Rotschopf zu sich. »Greif an und versuch, mich abzuwehren.«
    Zögernd trat Kuno näher. Es war schon schwer genug, sich einigermaßen unter den Männern zu behaupten, die ihm um Jahre in der Ausbildung voraus waren. Doch Christian besaß einen legendären Ruf als Schwertkämpfer. Kuno hatte selbst bei mehreren Gelegenheiten miterlebt, wie sein leuchtendes Vorbild größere und stärkere Gegner besiegt hatte. Aber kneifen durfte er nicht. Also hieb er kräftig drauflos.
    Doch schon bei der dritten oder vierten Bewegung ließ Christian seinen Stock ungehindert mit einem wuchtigen Hieb von oben niederfahren und stoppte die Bewegung erst zwei Fingerbreit über der Stelle, wo Kunos Hals und Schulter ineinander übergingen.
    »Wenn dein Gegner größer ist als du, wird er zumeist sofort mit einem Oberhau angreifen. Aber du warst völlig offen für meinen Hieb«, hielt er ihm vor.
    Der sonst so kecke Kuno wirkte gleichermaßen enttäuscht und beschämt.
    Christian wiederholte seine Bewegung, nur diesmal langsam.
    »Wenn du schnell genug bist, kannst du den Augenblick nutzen, in dem dein Gegner weit ausholt. Dann ist sein Oberkörper ungedeckt«, erklärte er und bot Kuno durch seine langsame Bewegung Gelegenheit, einen Stich zu plazieren.
    »Lerne vorauszusehen, was dein Gegner als Nächstes tut«, mahnte Christian, während er seinen Schwertgurt wieder umschnallte. »Dein Leben hängt davon ab.«
    »Ihr habt mich blamiert, ihr Versager«, grollte Herwart.
    »Dafür lass ich euch Rost von den Kettenpanzern schleifen, bis der Morgen graut, damit ihr Schwächlinge endlich Muskeln bekommt.«
    »Nicht jetzt, Herwart«, fiel ihm Christian ins Wort.
    Er schob seinen Sohn hinüber zu den beiden. »Passt für eine Weile auf den Jungen auf. Aber bleibt in der Nähe, ich habe einen Auftrag für euch.«
    Zumindest die letzte Ankündigung richtete Kuno wieder auf. »Ja, Herr.«
    »Denkt nicht, dass ihr so davonkommt«, drohte Herwart.
    Christian warf einen letzten Blick auf die zwei, denen sein Sohn begeistert folgte, weil er wusste, dass sie immer zu einem Streich aufgelegt waren. Dann ging er mit Herwart in die Wachstube.
    »Ich muss gleich nach Ostern wieder fort, zum Hoftag des Kaisers«, informierte er den Hauptmann. »Vier von deinen besten Leuten sollen während meiner Abwesenheit in mein Haus ziehen.«
    Diese Ankündigung veranlasste Herwart dazu, die Brauen hochzuziehen. Aber er hütete sich, zu fragen. Was zu sagen war, würde Christian schon kundtun.
    Der Hauptmann kratzte seine bärtige Wange. »Wenn die Euren mehr Schutz brauchen, gehe ich wohl am besten selbst dorthin. Wir
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