Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Spur der Hebamme

Titel: Die Spur der Hebamme
Autoren: Sabine Ebert
Vom Netzwerk:
können die Waffenübungen auch auf Eurem Hof abhalten, dann bin ich immer zur Stelle.«
    »Gut«, meinte Christian, erleichtert über den Vorschlag. »Was ist mit diesem kleinen Dieb, den ihr gefangen habt?«
    »Gerade mal sieben Jahre alt und schon ein erfahrener Beutelschneider. Er hockt im Verhau.«
    Herwart holte aus einer Kiste ein zusammengeknotetes Leinentuch. »Das haben wir bei ihm gefunden. Die alte Elsa hat es klar als ihr Eigentum erkannt – hier, an diesem gestickten Zeichen.«
    Christian knotete das Tuch auf, das um eine von jenen Kupferschalen gebunden war, in denen die dünnen Pfennige übereinandergestapelt aufbewahrt wurden, damit sie nicht zerbrachen. »Ist noch alles da?«
    Herwart nickte.
    »Meine Frau vermutet, es gibt hier eine ganze Bande kleiner Diebe, die von einem Älteren auf Beutezüge geschickt werden.«
    »Das denke ich auch, aber wir haben bisher noch niemanden ausfindig machen können. Jedenfalls wimmelt es in letzter Zeit hier von kleinen und sehr geschickten Langfingern. Ich weiß nicht, woher die auf einmal kommen, noch dazu um diese Jahreszeit. Die Waisen, die wir im Dorf haben, sind doch alle bei Verwandten untergebracht.«
    »Hol den Burschen. Und mach ihm tüchtig Angst vor mir«, meinte Christian. Herwart grinste breit. »Aber gern.«
    Wenig später kam er mit dem Gefangenem zurück, einem halb verhungerten, schmutzverschmierten Jungen, der sich alle Mühe gab, tapfer und gelassen zu wirken. Selbst im Dämmerlicht der Wachstube sah Christian, dass sein Gesicht, die halbnacktenArme und Beine von Prügelspuren unterschiedlichen Alters übersät waren.
    »Knie nieder vor dem Herrn des Dorfes«, raunzte Herwart den Jungen an, der sofort gehorchte.
    »Morgen halte ich Gericht über dich«, verkündete Christian streng. »Um dich hängen zu lassen, müsste ich dich nach Meißen schaffen, dafür habe ich keine Zeit. Also lasse ich dir eine Hand abschlagen. Aber ich will gnädig sein: Du darfst dir aussuchen, ob die linke oder die rechte.«
    Kreidebleich starrte der Junge ihn an, sichtlich bemüht, die Fassung zu bewahren. Doch er sagte kein Wort.
    »Wer hat dir geholfen?«, fragte Christian schroff und beugte sich vor.
    »Das kann ich Euch nicht sagen, Herr«, sagte der Junge mit brüchiger Stimme.
    »Und warum nicht? Wenn du gestehst, verhänge ich eine mildere Strafe.«
    Der kleine Dieb kämpfte lange mit sich, bis er schließlich leise sagte: »Weil er dann meiner Schwester sehr weh tun würde …« Christian fragte freundlicher: »Der Mann, der euch zum Stehlen ausschickt?«
    Der Junge nickte und wischte sich die Nase mit dem Ärmel ab. »Der Meister sorgt für uns, damit wir nicht verhungern. Wir haben doch sonst niemanden mehr …«
    »Ich sehe nur, dass er euch schlägt, auf Diebeszüge schickt und sich nicht darum schert, ob ihr gehängt werdet«, entgegnete Christian scharf. »Wie viele gehören zu eurer Bande? Wo hält sich euer ›Meister‹ versteckt?«
    »Herr!« Jetzt liefen dem Jungen die Tränen ungehindert übers Gesicht. »Ich darf Euch das nicht sagen, sonst schlägt er meine kleine Schwester tot.«
    »Wie heißt sie? Und wie ist dein Name?«
    »Peter. Sie heißt Anna. Sie ist noch nicht einmal sechs«, schniefte der magere kleine Dieb. »Wir sind die Einzigen, die noch übrig sind von unserer Familie …«
    »Sag mir, wo ich sie finde, und ich sorge dafür, dass ihr nichts geschieht. Du hast mein Wort.«
     
    Wenig später trat Christian wieder nach draußen und suchte nach Kuno und Bertram. Die beiden trieben sich mit seinem Sohn bei den Pferden herum und erzählten ihm genüsslich blutrünstige Geschichten über den berüchtigten Slawenfürsten Radomir, nach dem Christians Rappe benannt worden war. »Und er hat wirklich Wein aus den Schädeln seiner toten Feinde getrunken?«, fragte Thomas gerade mit leuchtenden Augen. »Klar doch«, meinte Kuno. »Aus seinen Augen loderten Flammen, er hatte rabenschwarzes Haar wie das Pferd Eures Vaters. Und wenn ihm ein schönes Mädchen unter die Augen kam …«
    »Genug Schauermärchen für heute«, unterbrach ihn Christian. »Kuno, Bertram, ihr müsst euch wieder mal verkleiden. Zieht Bergmannskittel oder Bauernkleider an und haltet im Handwerkerviertel Ausschau.«
    Nach dem, was er soeben erfahren hatte, gab er ihnen genaue Anweisungen. »Aber wartet bis zum Nachmittag«, bestimmte er. »Zuerst muss noch etwas erledigt werden.«
     
    Als Christian mit seinem Sohn zurück ins Haus kam, stand Marthe in der Küche und
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher