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Die Spucke des Teufels

Die Spucke des Teufels

Titel: Die Spucke des Teufels
Autoren: Ella Theiss
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treten,
ich Depp, dass ich so darben muss!

     
    Freitag, 21. November

    Wie es aussieht, kann ich diese Nacht bei einem
Müller in Hommersum nächtigen, welches ein kleiner Ort an der Niers ist, nahe
der Stadt Goch. Ohne Entgelt kann ich dort unterkommen, so ist mir zugesagt, nur
gegen einen Haarschnitt und eine Rasur am Morgen, wie es die meisten von mir
verlangen, die mir Herberge für eine Nacht geben und sei es auf dem Heuboden.
So ist freilich für einen Barbier kein Geldverdienen und ich sollt mich eilen,
dass ich zu Schwester und Schwager nach Trier komm, wo ich den Winter über
gewiss wohnen kann, da sie alt sind und schwach und ich immer willkommen bin,
ihnen bei ihren Verrichtungen zu helfen.

    Es ist ein liebliches Nest, dieses Hommersum, liegt in
weiter Ebene inmitten von Wäldern, wo ein anmutig von Schilf und Weiden gesäumtes
Stück Niers sich von Horizont zu Horizont windet, und hat kaum fünfhundert
Seelen wohnen, aber eine Kirche, wie sonst nur Städte sie haben, ganz aus rotem
Brandstein und mit einem Turm, der selbst die Dorfeiche um das Doppelte
überragt, und auch das Rathaus ist aufwendig und ganz aus Brandstein, was
jedoch alles nicht ungewöhnlich ist hier am Niederrhein, wo die Preußen seit
mehr als einem Jahrhundert ein Bollwerk der Selbstzufriedenheit haben gedeihen
lassen, das unempfänglich macht für das Werben der Franzosen, Spanier,
Holländer, und wo nahezu ein jeder sein Auskommen hat und nicht wie in den
vielen Dörfern rechts und nördlich des Rheins, wo noch, unter den Herzögen und
Landgrafen aufgeteilt, viel Elend herrscht, Bettelvolk die Straßen säumt und
Strauchdiebe sich auf allen Äckern bedienen. Nicht dass die Wegelagerer einen
Bogen um den Niederrhein machten, doch kaum fällt hier einer vom Wagen, hockt
sich in die Gosse und streckt die Hand aus oder klaut gar eine Möhre, einen
Apfel, da kommen die Gendarmen gelaufen, verstecken ihn in einem der vielen
Armenhäuser, wo nur Wasser und Brot verteilt wird, sodass jeder, der es nicht
wirklich nötig hat, alsbald freiwillig weiterzieht.

    Ich werde mich gewiss hüten, wie ein Landstreicher zu
erscheinen, damit man mich keinesfalls aufliest, was mir leichtens droht, denn
das einzige Gasthaus, das außerhalb Gochs liegt und darum erschwinglich ist,
wird dieser Tage von Preußen belegt, die vor dem Anwesen ein Holzgatter
errichtet und einen grimmen Adler aus Eisen in die Erde gerammt haben, als sei
es militärisch besetztes Gebiet, und kaum dass ich heute herantrat, scheuchte
mich ein Blaurock mit stoppeligem Kinn fort, als sei ich lästiges Vieh.

     
    Samstag, 22. November

    Trefflich an meinem Quartier ist, dass Hommersum
recht nah an die Stadt Goch heranreicht, mit dem Wagen keine Stunde davon
liegt, sodass ich an den Adventssamstagen meine Dienste werd anbieten können
und auf dem Wochenmarkt meine Salben und Tinkturen verkaufen kann, gesetzt den
Fall, dass dies mir mehr Geld einbringt, als der Müller an Entgelt verlangt,
was sich weisen wird. Er heißt Müller mit Nachnamen und ist ein Müller, was er
selbst zum Lachen findet, zumal die Mühle nicht sein Eigen, sondern gepachtet
ist von einem Fürsten, der entweder steinreich oder ein Depp deucht zu sein,
weil er oftmals vergisst, die Pacht einzutreiben, wie der Müller mir verraten
hat.

    Der Müller muss selbst ein Depp sein, denn er lässt mich
weiter ohne Entgelt wohnen, weil seine Mühlknappen seit Allerheiligen auf und
davon sind und deren Kammer leer steht. Eine Rasur will er erst wieder am
Sonntagmorgen, vor dem Kirchenbesuch, denn einmal die Woche genüge ihm
eigentlich, so sagt er. Ich hab ihm zum Dank heut seinen lahmen Fuß mit meiner
Beinwellsalbe eingerieben und einen dicken Verband angelegt, was auch nötig
war, denn ein grober Mensch hat ihm auf die Zehen getreten, dass sie nach einer
Woche noch grün und blau sind. Der Müller sagt, er spüre wenig, denn der Fuß
sei taub, weil er in seiner Jugend einmal in eine Wolfsfalle geraten sei, was
eine üble Verletzung gewesen sein muss, denn die Haut ist ganz vernarbt davon,
sodass der Müller das Bein beim Gehen nachzieht und sich selbst einen Krüppel
nennt. Aber er sei froh darum, sagt er, denn so sei er vor der Armee verschont
worden und er mocht nie Soldat, mocht immer nur Müller sein. Er ist wirklich
ein Depp, muss man doch nicht wirklich gebrechlich sein, um der Armee zu
entkommen, denn sich trefflich zu verstellen genügt heute, dass einen die
Häscher verschmähen. Das weiß niemand besser als
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