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Die Spucke des Teufels

Die Spucke des Teufels

Titel: Die Spucke des Teufels
Autoren: Ella Theiss
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im nächsten Moment wieder hinter
blinkenden Litzen und Knöpfen zu verstecken.

    Als Lisbeth noch klein war, marschierten einmal solch
blau-weiß-rote Soldaten zur Musik durch die Straßen von Moers, mit Spitzhüten
auf dem Kopf, unter denen weiße Perücken wie Schäfchenwolle hervorquollen, und
mit glänzenden Stiefeln, die sich im genau gleichen Moment hoben und senkten,
hoben und senkten. So einmütig stapften die Stiefel, dass die Erde unter ihnen
mit zu marschieren schien.

    Lisbeth stand mit der Mutter inmitten einer Menschenmenge
am Straßenrand. Alle winkten den Soldaten zu, riefen Hurra, Hurra. Auch die
Mutter. Doch zu Lisbeths Verwunderung schwangen sich die Stimmen nicht zum
Himmel hinauf wie ein Jubelschrei, sondern sackten in den Staub wie ein
Seufzer. Und als Lisbeth die vielen Menschen um sich herum betrachtete, wie sie
ihre schmutzig weißen Tücher schwenkten und ihre zahnlosen Münder aufrissen,
erschien ihr das ganze Hurra, Hurra wie ein einziger gellender Fluch.

    Da wandte sich Lisbeth rasch wieder der Parade zu, freute
sich an den Trompeten, den Flöten und Trommeln, dem Stapfen der Stiefel,
klatschte vor Vergnügen in die Hände, hüpfte und drehte sich wie beim Karneval.
Bis die Mutter sie an sich drückte, sich zu ihr herunterbeugte und den Zeigefinger
auf die Lippen presste: »Psst, Lisken! Ist kein Spaß! Die schießen, wenn man
nicht brav ist!«

    Nicht lang und sie schossen wirklich. Sogar mit Kanonen.
Da donnerte es noch ärger als bei einem Gewitter und Lisbeth kroch vor Angst
unter den Tisch. Am nächsten Tag waren der Wehrturm und die Häuser der Hauptstraße
kaputt. Und dem heiligen Bartholomäus am Marktplatz neben der Kirche war der
Kopf abgefallen, als ob ihn die Ungläubigen zum zweiten Mal enthauptet hätten.

    Viel später, an einem Abend im Sommer, als Lisbeth ins
Bett geschickt wurde, obwohl es noch nicht dunkel war, da sollen die Soldaten
mit ihren bunten Uniformen und ihren blinkenden Gewehren in die Häuser
eingedrungen sein, wo Holländer wohnten, sollen alle herausgeholt und mit ihren
glänzenden Stiefeln in den Leib getreten haben, sollen sie auf dem Marktplatz
zusammengetrieben und auf Leiterwagen zusammengepfercht haben. Auch die Kinder,
obwohl die brav waren und in ihren Betten geschlafen hatten, wie Lisbeth. Dann
sollen die Soldaten die Holländer und alle, die mit ihnen verwandt oder
verbandelt waren, mit Peitschen und Knuten aus der Stadt gejagt und viele
erschossen haben. Sodass man sich in Moers lange nicht mehr traute, auch nur
ein einziges holländisches Wort zu sagen.

    Lisbeth hat nicht begreifen können, wie die lustige Musik
und die bunten Uniformen mit den Kanonen, den Gewehren, dem Vertreiben und
Erschießen von arglosen Menschen zusammenhängen.
    Inzwischen kennt sie die Soldaten. Die sind wie der Gulden
in ihrer Schürzentasche. Glänzt wie ein Stückchen Sommersonne und bringt doch
nichts als Elend.

     
    Früh am Mittag erscheint der Kommandant der Garde,
sprengt auf seinem Pferd in den Hof, marschiert durchs Gasthaus, durchkämmt
alle Schlafkammern, die Wirtsstube, den Keller. Zuletzt dringt er wie eine
Windböe durch die Tür zur Küche, mustert Lisbeth mit mildem Lächeln und stellt
sich als Leutnant von Diest vor. Er werde regelmäßig Herd und Schränke
kontrollieren, sagt er, »natürlich nicht aus Misstrauen, sondern zur bloßen
Vorsicht!«.

    Stirnrunzelnd bleibt er vor den Kartoffeln stehen, die ausgebreitet
am Fenster liegen. »Tartüffeln gehören in den Keller.«

    »Mit Verlaub, Herr, diese sind noch grün, ich wollte sie
bei Tageslicht nachreifen lassen!«, sagt Lisbeth und macht einen Knicks, um
trotz der Widerrede nicht anmaßend zu erscheinen.

    Der Leutnant nickt, wendet sich den getrockneten Zwiebeln
im Regal zu.

    »Aber es hilft nicht«, fährt Lisbeth fort, »diese
Tartüffeln werden immer grüner!«

    »Werf sie sie weg, wenn sie unreif sind! Nehm sie andere!«

    »Sehr wohl«, sagt Lisbeth.

    »Sie muss die Keimansätze stets sorgfältig ausstechen!
Ich inspiziere täglich die Abfälle!«

    Lisbeth wiederholt ihren Knicks. »Bitte, werden die Kartoffeln
denn zuvor oder hernach gewaschen?«

    »Natürlich werden Tartüffeln hernach gewaschen, sonst
gerät ja Gift ins Waschwasser und verbreitet sich auf der ganzen Schale«,
erklärt der Leutnant und blinzelt nervös. Seine Augen sind tiefblau und
mandelförmig. Solche Augen hätte Lisbeth immer gern gehabt. Im kantigen Gesicht
des Leutnants sind sie fehl am Platz.

    »Sehr
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